
Blick auf den zweiten Wahlgang: Wer kann seine Stimmenzahl noch steigern?
Die Wählerinnen und Wähler haben gesprochen, und am Sonntag noch keinen der beiden Ständeratssitze verteilt. Das macht den zweiten Wahlgang vom 24. November besonders spannend. Holen sich die Kandidaten von FDP (Thierry Burkart) und SVP (Hansjörg Knecht) diese beiden Sitze?
Oder versucht Marianne Binder von der CVP als Vertreterin der Mitte eine rechtsbürgerliche Doppelvertretung zu verhindern? Oder vermögen gar SP und Grüne mit einer gemeinsamen Kandidatur den Sitz, den Pascale Bruderer (SP) acht Jahre inne hatte, zu verteidigen?
Gestern und auch noch heute liefen und laufen die Drähte zwischen den Parteizentralen heiss. Auf besonderes Interesse stösst, was die SP macht, deren Kandidat Cédric Wermuth am Sonntag das drittbeste Ergebnis geholt hat (vgl. Grafik) – allerdings schon mit einem rechten Abstand auf Burkart und Knecht.
Die SP-Präsidentin und neu gewählte Nationalrätin Gabriela Suter betont mit Blick auf den zweiten Wahlgang, der Aargau brauche «im Ständerat neben einer bürgerlichen auch eine Mittelinks-Vertretung, damit die Bevölkerung dort weiterhin ausgewogen vertreten ist». Doch wie will sie das erreichen?
Derzeit laufen Gespräche mit mehreren Parteien, so Suter. Wenn sie «Mitte-Links» sagt, ist da die CVP eingeschlossen? Sie meine damit eine Klimaallianz (die bei der Nationalratswahl nur teilweise zustande kam), die sich idealerweise auf eine Kandidatur einigt, so Suter. Wäre demzufolge auch eine Möglichkeit, dass sich Wermuth zurückzöge, da er gemäss einer AZ-Umfrage von Ende September bei SVP-, FDP- und CVP-Wählenden kaum eine Chance hat, und ihm gegen Burkart/Knecht eine Niederlage droht?
Suter zweifelt diesbezüglich die Umfrageergebnisse etwas an. Zum einen habe die Umfrage in mehreren Punkten nicht gestimmt. Und sie höre auch aus bürgerlichen Kreisen, dass eine ausgewogene Vertretung aus beiden Lagern wie bisher wichtig wäre für den Aargau: «Cédric Wermuth hat ein sehr gutes Ergebnis gemacht. Ich bin sicher, dass er nicht nur Stimmen im rotgrünen Lager geholt hat. Er hat noch mehr Potenzial, das er ausschöpfen kann.» So prüft die SP Aargau zusammen mit Wermuth eine Kandidatur für den zweiten Wahlgang. Der Entscheid fällt in der Geschäftsleitung heute Abend.
Kommt Marianne Binder nochmals als Mittevertreterin?
Nebst dem Entscheid, ob sich die Linke auf eine Kandidatur einigen kann, oder ob Wermuth und Müri beide nochmals antreten, stellt sich die Frage, ob die frischgewählte Nationalrätin und CVP-Kandidatin Marianne Binder, die am Sonntag im Ständeratsrennen den fünften Platz holte, zusätzliches Potenzial mobilisieren könnte: «Wir haben immer gesagt, der Entscheid fällt im zweiten Wahlgang. Da geht es um die Mehrheitsfähigkeit. Aufgrund des politischen Profils und von Marianne Binders Resultat ist die Ausgangslage sehr gut, in allen Lagern Stimmen zu holen,» sagt Fraktionschef Alfons P. Kaufmann.
Aber ist Binder für das rotgrüne Lager nicht zu bürgerlich, um dort Stimmen zu holen? Die Anhängerschaft von rotgrün werde am 24. November an die Urne gehen, sagt Kaufmann, nur schon um Yvonne Feri zu wählen: «Ich bin sicher, dass dann im Ständerat die Gewichtung so sein wird, dass man eher auf eine Politikerin der Mitte setzt. Damit wäre der Aargau auch weiterhin mit einem Mann und einer Frau im Ständerat vertreten.»
Grüne: Frauenfrage kann auch hier eine wichtige Rolle spielen
Gespräche mit anderen Parteien führt auch Grünen-Präsident Daniel Hölzle. Sein oberstes Ziel ist, «am 24. November einen SVP-Ständerat zu verhindern». Und mit wem erreicht man das, sogar mit der CVP-Kandidatin?
«Prinzipiell ist vieles vorstellbar», sagt Hölzle, und schiebt nach, die Frauenfrage könne wie beim Regierungsrat eine wichtige Rolle spielen, aber: «Wir Grünen sind die Wahlsieger, und Ruth Müri ist im Ständerat die bestgewählte Frau. Sie ist auch für den 24. November eine Option. Wir entscheiden heute Abend».
SVP und FDP haben eine gute Ausgangslage
Vergleichsweise komfortabel ist die Ausgangslage für SVP und FDP. SVP-Präsident Thomas Burgherr sagt denn auch: «Die Nomination von Hansjörg Knecht ist klar, mit dem Superresultat im ersten Wahlgang sowieso.» Ziel bleibe «eine bürgerliche Doppelvertretung im Ständerat».
Wie das am besten gelinge, wolle man im Gespräch mit den bürgerlichen Partnern herausfinden. Die SVP bespricht ihre Wahlstrategie für den zweiten Wahlgang diese Woche.
Man mache eine grosse Auslegeordnung, sagt FDP-Präsident Lukas Pfisterer: Falls Thierry Burkart mit dem besten Ergebnis vom Sonntag für die Ständeratswahlen wieder antritt, dürfte seine Nomination am Parteitag unbestritten sein, so Pfisterer. Gegenseitige Wahlempfehlungen seien sicher ein Diskussionsthema, sagt er weiter. Man werde dies intern prüfen: «Entscheiden wird heute Abend unser Parteitag.»