
Ständerat: Wermuth soll zugunsten einer Frau verzichten – fordert die Präsidentin von Frauen Aargau
Sandra Kohler, Präsidentin des Vereins Frauenaargau, war mit ihrer eigenen Nationalratskandidatur chancenlos. Auf der Liste der «Unabhängigen» machte die Badener Stadträtin 2261 Stimmen, mit einem Wähleranteil von 0,3 Prozent spielte ihre Gruppierung keine Rolle. Dennoch ist der Wahlsonntag für Kohler ein Grund zur Freude: Neu sitzen sieben Aargauerinnen im Nationalrat.
In einer Mitteilung gratuliert Frauenaargau den gewählten Nationalrätinnen Martina Bircher (SVP), Yvonne Feri, Gabriela Suter (beide SP), Irène Kälin (Grüne), Ruth Humbel, Marianne Binder (beide CVP) und Lilian Studer (EVP) zu ihrer Wahl.
Mit Blick auf den zweiten Wahlgang für den Stände- und Regierungsrat am 24. November schiebt Kohler einen Appell hinterher. Frauenaargau gratuliert den Kandidatinnen «zu ihren guten Resultaten und ermutigt sie, ein Vorbild für alle Frauen zu sein und sich auch im zweiten Wahlgang zur Wahl zu stellen», heisst es in der Mitteilung.
Reine Männervertretung wäre «ein bedenkliches Zeichen»
Kohler ruft auch die Parteien auf, «die Kandidatinnen weiterhin zu portieren und für mehr Frauen in den politischen Gremien zu sorgen». Der Aufruf erfolgt vor dem Hintergrund, dass für den Ständerat mit Thierry Burkart (FDP) und Hansjörg Knecht (SVP) zwei Männer an der Spitze liegen. Für den Regierungsrat gilt mit Jean-Pierre Gallati (SVP) dasselbe.
«Sollte der Aargau von zwei Ständeräten und fünf Regierungsräten vertreten werden, ist das ein äusserst bedenkliches Zeichen», betont Kohler. Keiner der drei Rechtsbürgerlichen setze sich für die Anliegen der Frauen ein. «Das ist ein absolutes No-Go, die drei Herren scheinen komplett immun gegen die Zeichen der Zeit zu sein.»
Betrachtet man die Stimmenzahlen nach dem ersten und die Ausgangslage für den zweiten Wahlgang (siehe Artikel links), könnte der Aufruf von Frauenaargau, alle Kandidatinnen sollten wieder antreten, unerwünschte Folgen haben: Bliebe das Feld der Bewerberinnen und Bewerber gleich, würden am 24. November Burkart, Knecht und Gallati gewählt. «Ja, das stimmt, dennoch halten wir an unserer Forderung fest», sagt Kohler auf Nachfrage der AZ.
Hoffnung auf Frauen-Einigung und Rückzug von Wermuth
Frauenaargau sei eine überparteiliche Organisation mit Fokus auf die Stärkung der Frauen, daher spreche man sich nicht explizit für eine bestimmte Kandidatin aus. «Optimal wäre es aus meiner Sicht, wenn sich die kandidierenden Frauen unabhängig von der Parteipolitik auf eine Kandidatin einigen könnten, damit sich die Wahlchancen erhöhen», sagt Kohler.
Im Ständeratswahlkampf führen mit Thierry Burkart, Hansjörg Knecht und Cédric Wermuth drei Männer – bei Burkart und Knecht ist klar, dass sie nochmals antreten. Sollte aus Sicht von Frauenaargau im zweiten Wahlgang SP-Kandidat Cédric Wermuth zugunsten von Ruth Müri (Grüne) oder Marianne Binder (CVP) verzichten? «Ja, das würde ich sehr begrüssen, zumal gerade Ruth Müri mit mehr als 40 000 Stimmen ein sehr gutes Ergebnis erzielt hat», sagt Kohler. Müri habe sicher davon profitiert, dass die Grünen bei der Klimawahl zulegten, erklärt sie. «Aber auch die Tatsache, dass sie eine Frau ist, hat bei ihrem Resultat eine Rolle gespielt.»
Bei der Regierungsratswahl führt SVP-Fraktionschef Gallati, dahinter liegen mit Yvonne Feri (SP), Jeanine Glarner (FDP) und Doris Aebi (GLP) drei Frauen – welche von ihnen soll im zweiten Wahlgang antreten? «Frauenaargau betreibt keine Parteipolitik und steht weder links noch rechts, darum geben wir hier keine Empfehlung ab», hält Kohler fest.
«Wählerschaft von FDP und SVP ist eher männlich geprägt»
Nicht alle Politikerinnen sind gegenüber den kandidierenden Männern so kritisch wie Kohler. Bei den Freisinnigen wird Thierry Burkart von den FDP Frauen unterstützt. «Das mag sein und das respektiere ich, dennoch ist eine reine Männervertretung im Ständerat, wie sie nun zustande kommen könnte, nicht zeitgemäss», hält Kohler fest. In gemischten Teams werde anders diskutiert, würden Entscheide anders gefällt. «Deshalb braucht es auch im Ständerat eine Frau.»
Bei der FDP traten mehrere Kandidatinnen mit einem Frauenbüssli auf, bei der SVP spannten alle fünf Frauen auf der Liste im Wahlkampf zusammen. Doch gerade in diesen Parteien müssen mit Stefanie Heimgartner und Maja Riniker zwei Frauen hoffen, dass ein Mann in den Stände- oder Regierungsrat gewählt werden und sie nachrutschen.
«Wir beobachten, dass es Frauen in bürgerlichen Parteien heute immer noch schwerer haben», sagt Kohler. Die Wählerschaft von FDP und SVP sei noch eher männlich geprägt, Frauen dieser Parteien beim Thema Frauenanteil weniger offensiv auftreten. Zudem hätten nicht alle Frauen gleich viel Mut, «laut eine bessere Vertretung zu fordern und sich auch dafür einzusetzen».