Erste Frau Hauptmann der Kadetten: heute ist sie Frau Doktor

«Ohne Frauenbonus» zur Frau Hauptmann gewählt: Caroline Leuenberger posiert nach der Wahl für das Gruppenfoto. Bild: Zofinger Tagblatt, 2. Juli 2002
«Ohne Frauenbonus» zur Frau Hauptmann gewählt: Caroline Leuenberger posiert nach der Wahl für das Gruppenfoto. Bild: Zofinger Tagblatt, 2. Juli 2002

Frau Leuenberger, wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, bei den Kadetten mitzuwirken?

Caroline Leuenberger: Als ich in die Oberstufe kam, hatte man noch keine Wahl, was man am Kinderfest tun wollte. Mädchen mussten die Reigen-Vorstellung einüben und die Jungs marschierten als Kadetten. Obwohl oder vielleicht gerade weil ich als Kind sehr leidenschaftlich tanzte, langweilte mich der Reigen ziemlich. Ich kann mich noch erinnern, wie wir in Schwingerhosen auftreten mussten (lacht). Jedenfalls musste ich nicht lange überlegen, als im darauffolgenden Jahr erstmals auch für Mädchen die Möglichkeit bestand, bei den Kadetten mitzumachen. Das war etwas Neues, Unbekanntes, da wollte ich unbedingt dabei sein.

Waren Sie im ersten Jahr das einzige Mädchen, das sich traute?

Nein, da waren auch noch andere Mädchen dabei. Übrigens ganz normale, keine «verschüpften» Aussenseiterinnen und auch keine «Emanzen», wie einige Leserinnen und Leser nun wahrscheinlich vermuten (lacht). Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass wir mit den Jungs irgendwelche Probleme gehabt hätten. Wir hatten richtig Spass.

Zwei Jahre später waren Sie das Oberhaupt der Kadetten. Können Sie sich an die Wahl erinnern?

Ja, das war an einem Montag. Wir Anwärterinnen und Anwärter mussten unser Kommandier-Talent an einem Zug Kadetten unter Beweis stellen, dann zog sich das Wahl-Gremium zurück, das aus Lehrern, Freunden und Gönnern der Kadetten bestand. Wenig später stand fest, dass sie mich zum Hauptmann gewählt hatten, oder korrekt gesagt: zur Frau Hauptmann. Anfangs wussten wir gar nicht, wie man einen weiblichen Hauptmann überhaupt nennt (lacht).

Wie fielen die Reaktionen auf Ihre Wahl aus?

Durchweg positiv. Es wurde mir sehr viel Wohlwollen und Respekt entgegengebracht in Zofingen, ich war die ganze Kinderfestwoche hindurch ständig irgendwo zum Essen eingeladen. Ich durfte als Frau Hauptmann auch einen der Kanonenschüsse abfeuern, die morgens um sieben Uhr das Kinderfest offiziell eröffnen. Ich habe diese aufregende Zeit extrem genossen und erinnere mich noch heute gerne daran.

Ausgerechnet im Jahr 2002, als Sie Frau Hauptmann wurden, regte sich ja Widerstand gegen das Gefecht …

Ja, einige Mitschüler gründeten die «Bewegung gegen das Gefecht» mit der Begründung, es herrsche bereits genug Krieg auf der Welt, man müsse deshalb keine Kriegsszenen nachstellen.

Das konnten Sie nicht verstehen?

Ja und Nein. Sehen Sie, das Gefecht ist für mich eine Art historisches Schauspiel, ein Freilicht-Theater. Mit Krieg hat das in meinen Augen nichts zu tun.

Sie sind also kein «Militär-Grind», wie der Volksmund es nennt?

(Lacht) Auf gar keinen Fall! Es stand für mich auch nie zur Debatte, Militärdienst zu leisten. Bei den Kadetten und in den darauffolgenden Jahren auch bei den Freischaren habe ich mitgemacht, weil ich einfach ein neugieriger Mensch bin, der ziemlich unbekümmert durchs Leben geht und nicht, weil ich eine militärische Karriere angestrebt hätte.

Haben Sie vom Unfall am Gefecht dieses Jahres gehört?

Ja, das habe ich mitgekriegt. Es war zu erwarten, dass die Diskussion ums Gefecht wieder losgeht. Es erinnert mich ein wenig ans Sechseläuten in Zürich: Jedes Mal, wenn ein Unfall mit einem Pferd passiert, wird die Existenzberechtigung des Anlasses diskutiert. Damit das Gefecht abgeschafft würde, müssten sich die Unfälle wohl häufen, schliesslich hat Zofingen ja 2005 die Volksinitiative «Ja zum traditionellen Zofinger Kinderfest» angenommen.

Wann waren Sie das letzte Mal am Kinderfest?

Das ist einige Jahre her. Die Sache ist die: Ich bin seit meiner Jugend als Triathletin aktiv, und das Kinderfest fällt leider mitten in die Wettkampf-Saison. Darum ist das etwas schwierig (Anm. des Autors: Caroline Leuenberger belegte letztes Jahr am Ironman Zürich den dritten Platz in ihrer Kategorie und verpasste damit nur haarscharf die Qualifikation für den legendären Ironman Hawaii).

Würden Sie sagen, dass die Hauptmann-Wahl ein prägendes Erlebnis in Ihrem Leben war?

Nun, das wäre vielleicht etwas übertrieben. Hier stellt sich natürlich die «Huhn-Ei-Frage»: Hat sich mein Leben verändert, weil ich Frau Hauptmann wurde oder wurde ich vielleicht eher Frau Hauptmann, weil ich so bin, wie ich bin? Ich plane das ja nicht, aber es ist tatsächlich so, dass ich immer wieder in Männerdomänen meinen Weg gesucht habe. Ich war zum Beispiel auch die einzige Doktorandin in Molekularbiologie und im Team – ich arbeite heute in der Pharmabranche – war ich auch lange die einzige Frau. Ich bin mit drei Brüdern aufgewachsen, das mag auch ein Grund dafür sein, dass ich nie Probleme damit hatte, mich auch in mehrheitlich männlich besetzten Teams durchzusetzen. Ich stelle mir diese Geschlechterfrage selber nicht wirklich. Ich sehe das so: Wenn alle das tun, was sie gut können, dann spielt das Geschlecht eigentlich gar keine Rolle.

Zur Person

Caroline Leuenberger wurde 1987 in Aarau geboren und verbrachte ihre ersten Lebensjahre in Staffelbach, bevor die Familie nach Zofingen zügelte, wo Caroline Leuenberger Primar-, Bezirks- und Kantonsschule besuchte. Nach der Matura studierte Leuenberger an der ETH Bewegungswissenschaften und doktorierte in Molekularbiologie. Sie lebt mit ihrem Partner in Zürich.