Nationalratswahlen: Aargauer Grüne und GLP überholen die CVP – SVP verliert

Als vor zwei Wochen die «Elefantenrunde» für den Talk von Tele M1 aufgezeichnet wurde, nahmen die Präsidentinnen und Präsidenten von SVP, FDP, CVP, SP und Grünen teil. Wenn sich die Resultate der repräsentativen Umfrage mit 2223 Teilnehmenden bestätigen, die das Institut Sotomo im Auftrag der AZ durchgeführt hat, wäre bei der nächsten Elefantenrunde auch Beat Hiller, der Präsident der Grünliberalen Aargau, mit dabei.

Die GLP legt laut der Umfrage mit 3,3 Prozent von allen Parteien am stärksten zu und würde die CVP überholen. «Das freut und überrascht mich,» sagt Hiller, der aber mahnt, die wahren Zahlen würden erst am Wahlsonntag vorliegen. Möglicherweise könnte es den Grünliberalen gar für einen zweiten Sitz im Nationalrat reichen, doch Hiller ist zurückhaltend. «Die Umfrage hat einen gewissen Fehlerbereich und für zwei Sitze müssten wir noch etwas stärker zulegen», sagt der Präsident.

Klima-Allianz ist gescheitert, Grün-Grün-Rot trotzdem stark

Auch die Grünen werden gemäss der Umfrage klar stärker, ihr Wähleranteil steigt um 3,1 Prozent. Damit würden auch sie die CVP überholen und viertstärkste Partei werden. Grünen-Präsident Daniel Hölzle kommentiert das Resultat so: «Ich will Gewinne bei Wahlen, nicht in Umfragen und hoffe, dass wir mit einer guten Schlussmobilisierung besser abschliessen als in der Umfrage.» Schade ist aus Sicht von Hölzle, dass die GLP nicht mit den Grünen und der SP eine Listenverbindung eingegangen ist. So kam die im Sommer viel diskutierte Klima-Allianz nicht zustande. «Dies hätte wohl sechs Sitze für die progressiven Kräfte in der Klimapolitik ergeben – für mich ist es unverständlich, dass sich die GLP mit der CVP verbündet hat», sagt der Grünen-Präsident.

Die dritte Gewinnerin ist die SP: Mit einem Plus von 0,8 Prozent fällt der Zuwachs zwar niedriger aus, als bei den Parteien mit «Grün» im Namen. Dennoch können die Sozialdemokraten damit rechnen, ihren 2015 verlorenen dritten Sitz zurückzuholen. Präsidentin Gabriela Suter sagt: «Es ist erfreulich, dass die SP trotz der grünen Welle dazugewinnen kann.» Was zähle, sei aber der Wahlsonntag, ihre Partei werde im Schlussspurt nochmals alles geben und die Wählerbasis mobilisieren. «Unser erklärtes Ziel ist es, im Bundesparlament die Mehrheit von SVP und FDP zu brechen.» Wenn sich die Umfrage bestätigt, würden die SP im Aargau einen zusätzlichen Sitz gewinnen, allenfalls auch die GLP. «So würde unser Kanton einen Beitrag zu diesem Ziel leisten», sagt Suter, die es wichtig findet, «dass künftig mehr klimafreundliche Politikerinnen und Politiker im Nationalrat sitzen, damit die nötigen Gesetzesänderungen eine Mehrheit finden». Laut der Umfrage erreichen SP, Grüne und GLP zusammen im Aargau einen leicht höheren Anteil als die SVP.

Auf nationaler Ebene wollen die Freisinnigen die SP beim Wähleranteil überholen, im Aargau war auch schon das Ziel von vier Sitzen im Nationalrat zu hören. Mit einem marginalen Plus von 0,1 Prozent, wie es die Umfrage ergibt, würde die FDP beides nicht schaffen. Kantonalpräsident Lukas Pfisterer freut sich dennoch, und zwar darüber, «dass wir laut Umfrage zulegen können, als einzige bürgerliche Partei im Aargau». Das zeige, dass die FDP die richtigen Themen besetze, starke Kandidatinnen und Kandidaten habe und einen guten Wahlkampf mache. «Wie es aussieht, können wir unsere drei Sitze im Nationalrat halten, das ist erfreulich», sagt Pfisterer. Ganz sicher ist dies jedoch nicht, hat die Umfrage doch einen Fehlerbereich von 2,1 Prozent. Das Ziel, die SP beim Wähleranteil zu überholen, verfolge man bis zum Wahltag weiter. «Es gibt ein grosses Potenzial möglicher FDP-Wähler, jetzt sind Auftritte am Bahnhof, auf der Strasse und Tür-zu-Tür-Wahlkampf wichtig», sagt Pfisterer.

SVP und CVP bleiben trotz Umfrage-Tief optimistisch

Die grösste Verliererin ist laut der Umfrage die SVP, also die Listenverbindungs-Partnerin der Freisinnigen. Ergibt sich am 20. Oktober tatsächlich ein Minus von 4,1 Prozent, würde die Volkspartei den siebten Sitz, den sie 2015 gewonnen hat, wohl wieder verlieren. SVP-Kantonalpräsident Thomas Burgherr bezweifelt aber, dass dies eintrifft. «Vor vier Jahren lagen die Resultate der Umfrage für unsere Partei um sieben Prozent neben den Wahlergebnissen», erinnert er. Burgherr sagt mit Blick auf die Umfrage, die kaum Gewinne bei bürgerlichen Parteien ausweist, er könne sich nicht vorstellen, dass derart viele SVP-Wähler zu den Grünen oder Grünliberalen wechselten. «Bei uns in der Partei ist die Stimmung gut, wir sind zuversichtlich, dass wir ein gutes Resultat erzielen und den siebten Sitz verteidigen werden», sagt der Präsident. Die SVP werde in den nächsten Tagen nochmals kräftig mobilisieren, geplant sei vor dem 20. Oktober unter anderem nochmals eine Wahlzeitung.

Mit Verlusten muss auch die CVP rechnen. «Umfrage ist Umfrage und Wahl ist Wahl. Der 20. Oktober wird es zeigen», sagt Präsidentin Marianne Binder. Die CVP ziehe mit neun guten Listen und 127 profilierten Persönlichkeiten in den Wahlkampf. «Das ist ein starkes Zeichen unserer Partei, diese Mobilisierung wird in der Umfrage nicht abgebildet», sagt Binder. Sie ist überzeugt, dass dieses gemeinsame Engagement von der Wählerschaft am 20. Oktober belohnt werde. Mit Blick auf die Klimapolitik sagt Binder, auch bei Umweltfragen müsse sich die CVP nicht verstecken. Die Sorge um die Umwelt und das Thema Nachhaltigkeit gehörten seit jeher zum Parteiprogramm. Dank der CVP stehe seit 1971 der Umweltartikel in der Verfassung. Seither seien viele Vorlagen in diesem Bereich von der Partei geprägt worden. Die jüngste ist laut Binder «das griffige Co2-Gesetz» der ehemaligen Bundesrätin Doris Leuthard.

Sitzgewinn der EVP möglich, Kleinparteien spielen keine Rolle

Ein markantes Minus in der Wählergunst verzeichnet laut der Umfrage auch die BDP. Ihr bisheriger Anteil würde sich praktisch halbieren, mit 2,7 Prozent würde die BDP hinter Listenpartnerin EVP zurückfallen. Dies hätte zur Folge, dass der Sitz, den bisher Bernhard Guhl besetzte, an EVP-Spitzenkandidatin Lilian Studer gehen dürfte. BDP-Präsident Roland Basler sagt, er sei überrascht und enttäuscht vom Umfrageergebnis. Für die BDP gebe es, im Unterschied zur SVP mit den Flüchtlingen oder den Grünen und der GLP mit dem Klima, kein Thema, das ihr automatisch Stimmen bringe. «Wir geben aber nicht auf und kämpfen bis am Wahltag, um unseren Sitz zu verteidigen», sagt Basler.

Profitieren von den Stimmenverlusten der BDP könnte die Listenverbindungs-Partnerin EVP: Bestätigen sich die Resultate der Umfrage auch am Wahlsonntag, würde die EVP die BDP überholen und den Nationalratssitz übernehmen. «Wir sind mit dem Ziel angetreten, einen Sitz zu holen», sagt EVP-Co-Präsidentin Therese Dietiker. Sie freue sich darüber, dass dies laut der Umfrage eine realistische Option sein könnte. «Das Rennen ist aber bis zum 20. Oktober offen, wir und die BDP werden beide Gas geben, wer am Ende vorne liegt, holt den Sitz.»

Die kleinen Parteien und Gruppierungen, die am 20. Oktober mit Listen zu den Nationalratswahlen antreten, sind laut Umfrage kein Faktor. EDU, Piratenpartei, Team 65+, Liste Luzi Stamm, Freie Wähler, Lösungs-Orientierte Volksbewegung und Die Unabhängigen wurden jeweils von weniger als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Online-Umfrage gewählt. «Wir geben für Parteien, die von weniger als dreissig Personen gewählt wurden, keine Prozentzahlen aus, weil eine solche Aussage statistisch nicht sinnvoll ist», begründet David Krähenbühl vom Institut Sotomo.