Eine Zuckerwattenbude, die gehörig ins Wanken gerät

Schon das Bühnenbild deutete es an: Es zeigte eine Ansammlung von Einzelboxen mit der Anschrift «Zuckerwattenbude». Nur steht der Schild verkehrt auf dem Kopf. In der Folge sollte noch manches verkehrt laufen bei der Übernahme der geerbten Zuckerwattenbude durch die schüchterne Odette (Cécile Steck).

Sie möchte die auf einem verfallenen Rummelplatz stehende Einrichtung eigentlich raschmöglichst verkaufen. Bei prasselndem Regen besichtigt Odette die Bude, kann sie aber nicht öffnen. Ein zufällig anwesender Mann (Didi Sommer) schlägt ihr vor, einen Bohrer, Hammer oder Brecheisen einzusetzen. Er fuchtelt mit einer Bauprofilstange herum, denn der gesamte Rummelplatz soll einem Einkaufszentrum weichen. Odette hingegen hofft inzwischen, mit der Zuckerwattenbude erstmals so etwas wie ein Zuhause zu erhalten. Doch Baumaschinen bedrohen unerbittlich ihr kleines Glück. Mit viel Herz, klebriger Zuckerwatte und ihren kuriosen Bekannten kämpft sie um ihr Lebensglück.

Dann fällt plötzlich das verkehrt aufgehängte Namensschild krachend zu Boden, in der Boxe bellt ein Hund. Er wird in der Folge noch oft zu hören sein, immer in anderen Varianten, je nach Situation. Es ist einer der vielen technischen Tricks, die während der ganzen Handlung immer wieder zum Einsatz kommen. Zum Beispiel, wenn sich die einzelnen Verkaufsboxen wie von Geisterhand geschoben hin und her bewegen oder sich in ein Spiegelkabinett verwandeln. Als Requisiten benötigt die Komödie eigentlich nur die Verkaufsboxen der Zuckerwattenbude, aber diese haben es wie gesagt in sich. Sie stecken voller unsichtbarer, aber fortlaufend effizient zum Einsatz gelangender Technik. Dies ist eines der vielen Mittel, die das Stück so überraschend spannend, einzigartig und attraktiv machen.

Das absolut verblüffende schauspielerische Qualitätsmerkmal von Cécile Steck und Didi Sommer ist der schnelle und authentische Wechsel in andere Rollen, Outfits, Sprachen und Handlungsabläufe. Beide schlüpfen innert Sekunden in eine andere Mentalität, Cécile Steck mit blonder Perücke und kurzem Kleid in ein Kabarettgirl und Didi Sommer in einen geschickten Artisten und Jongleur.

Aus der Komödie wird schliesslich eine Tragödie

Unglaublich, wie zahlreiche verschiedene Charaktere personifiziert werden. Erstaunlich ist auch, wie die beiden vom stilechten Hochdeutsch am Anfang später in die vertraute Mundart wechseln. Die Handlung wendet sich, als Odette alte Briefe und Fotos ihrer Tante Luzia, von der sie die Zuckerwattenbude geerbt hat, durchstöbert. Dabei kommt sie einem tragischen Familiengeheimnis auf die Spur, als sie erfährt, weshalb sich ihre Tante Luzia mit ihren Eltern entzweit hat. Wegen einer unehelichen Schwangerschaft wollte sie per Schiff nach Amerika auswandern und kam dabei tragisch ums Leben. Die Schilderung dieses Schicksals entwickelte sich zum Höhepunkt der Komödie, die sich jetzt zur Tragödie verwandelte. Optisch erhielt diese mit einem genialen Schattenspiel Gestalt.

Mit den Händen und Kartonfiguren zauberten Cécile Steck und Didi Sommer gemeinsam den Ablauf der Reise mittels eines Projektors auf die Wand einer Boxe der Zuckerwattenbude, von der Abfahrt des Schiffes bis zur stürmischen Überfahrt des Atlantiks. Dann strömte eine Rauchwolke auf die Bühne, im Hintergrund brach Feuer aus und krachend stürzten die Requisiten zusammen. Das ganze Stück war so urkomisch, anschaulich, spannend und kurzweilig inszeniert, dass es vom Publikum mit nicht enden wollendem Beifall belohnt wurde.