
5G-Antennen: Die Swisscom wirft Wohlen vor, Bundesrecht zu verletzen
Der Grosse Rat hat am Dienstag ein Moratorium abgelehnt
Auch der Aargauer Grosse Rat findet, dass Alleingänge von Gemeinden oder Kantonen wenig Sinn machen. Am Dienstag hat er ein Moratorium für die umstrittene 5G-Technologie entgegen dem Willen der CVP deutlich abgelehnt.
In der Debatte wandte sich das Parlament mit 81 zu 40 Stimmen klar gegen ein Moratorium für den Einsatz hochfrequenter Strahlung und sagte mit 85 zu 31 Stimmen auch Nein zu Massnahmen gegen einen drohenden Antennenwald.
Beide Vorstösse hatte die CVP lanciert, vertreten worden ist sie im Parlament vom Wohler Grossrat Harry Lütolf. Mit der Ablehnung ist der Grosse Rat der Regierung gefolgt, die beide Anliegen zur Ablehnung empfohlen hatte.
Harry Lütolf, selber Anwalt, hatte in seinem Votum in Abrede gestellt, dass ein Moratorium gegen Bundesrecht verstossen würde. Das sei nicht der Fall. In der Diskussion im Rat wurde dann aber doch darauf hingewiesen, dass für die Strahlung von Mobilfunkantennen und deren Folgen für die Gesundheit das Bundesamt Umwelt zuständig sei. So hatte zuvor auch schon die Regierung argumentiert.
Lütolf hatte in Aarau einen schweren Stand. Sogar GLP und Grüne lehnten seine Motion mehrheitlich ab. Deutlich dagegen war die SVP. Von ihrem Sprecher wurde Lütolfs Motion gar als Wahlkampfvorstoss bezeichnet, von dem man sich nicht blenden lassen dürfe. (to)
Der Gemeinderat Wohlen, so hielt er letzte Woche in einer Medienmitteilung fest, sehe sich aufgrund der unklaren Faktenlagen in Bezug auf die Auswirkungen der 5G-Technologie zurzeit nicht in der Lage, Entscheide zu laufenden Baugesuchen zu fällen. Diese Baugesuche würden deshalb sistiert (az vom 13. September).
Was sagt Swisscom dazu? Die Firma hat an der Bremgarterstrasse ein Baugesuch laufen, für eine neue Mobilfunkanlage mit Mast und Antennen. Wird Swisscom sich mit dem Moratorium abfinden oder den Entscheid allenfalls an die nächste Instanz weiterziehen?
Die Antwort auf die Anfrage der AZ ist klar. Swisscom bezieht sich auf eine Stellungnahme, die das Bundesamt für Umwelt (Bafu) und das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) im Mai veröffentlich haben und schreibt: «Wie Bafu und Bakom in dieser Stellungnahme festhalten, sind kantonale und kommunale Bestimmungen in Bezug auf Mobilfunkanlagen nur zulässig, wenn sie nicht den Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung bezwecken und weder zu einer unzulässigen Beschränkung der Emissionen der Mobilfunksendeanlagen noch zu einer Verletzung der in der Fernmeldegesetzgebung konkretisierten öffentlichen Interessen führen. Da die Praxis der Gemeinde Wohlen in den Regelungsbereich zum Schutz der Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung eingreift, verletzt sie Bundesrecht.»
Die Swisscom, hält das Unternehmen weiter fest, könne grundsätzlich gegen solche Sistierungsverfügungen vorgehen: «Wir sind aber gesprächsbereit und suchen mit den entsprechenden Verantwortlichen den Dialog», schreibt Swisscom.
Was sagt das Unternehmen dazu, dass in Wohlen bereits zwei 5G-Anlagen aufgeschaltet sind. Erachtet Swisscom hier die Rechtsgleichheit als gefährdet? «Die Frage der Rechtsgleichheit», schreibt Swisscom, «spielt vor allem im Rahmen der effektiven Beurteilung von Baugesuchen eine Rolle.
Dass in Wohlen möglicherweise 5G-Antennen vor der Sistierung bewilligt wurden, ist weniger ein Problem der rechtsgleichen Behandlung als vielmehr eines gesetzwidrigen Vorgehens durch die Sistierung.»
Gemeinderat Wohlen weiss um die Problematik
Der Gemeinderat weiss durchaus, dass sein Entscheid, laufende 5G-Baugesuche zu sistieren, problematisch ist. Im Juni hat das Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) des Kantons Aargau allen Gemeinden einen Flyer zum Thema zugestellt.
Dort ist festgehalten, dass in diesem Bereich das übergeordnete Recht gilt und sie nicht befugt sind ein 5G-Moratorium zu erlassen. Hat der Gemeinderat Wohlen diesen Flyer nicht gelesen oder hat er im klaren Wissen gehandelt und ein Moratorium verfügt, obwohl ein solches nicht in seine Kompetenz fällt?
«Der Gemeinderat hat gewusst, was er macht», sagt Gemeindeammann Arsène Perroud auf Anfrage der AZ: «Selbstverständlich ist es so, dass grundsätzlich übergeordnete Instanzen für die Prüfung und die Erteilung der Zustimmung in diesen Verfahren massgebend sind. Vordergründig kommt dem Gemeinderat kaum noch eine selbstständige Entscheidungsbefugnis zu.»
Der Gemeinderat, erklärt Perroud weiter, habe sich mit dieser Rolle jedoch nicht abfinden wollen, weil er nach dem Territorialprinzip für die Erteilung und Eröffnung der Entscheide über solche Baugesuche zuständig sei: «In Anlehnung an dieses Prinzip hat der Gemeinderat ebenso das Wohl der sich in seinem Zuständigkeitsgebiet befindlichen Bevölkerung zu berücksichtigen. Weil die Auswirkungen dieser neuen Technologie tatsächlich noch nicht hinreichend bekannt sind, bzw. die Ergebnisse der anberaumten Abklärungen auf Bundesebene ausstehend sind, wurden die Gesuche sistiert.»
Wichtig sei beim gemeinderätlichen Entscheid, hält der Gemeindeammann fest, «dass die Baugesuche sistiert wurden und kein generelles Moratorium im Sinne eines Nichteintretens erlassen wurde.
Die konkreten Entscheide unterstehen dem ordentlichen Rechtsmittel. Auf diese Weise kann dem Gemeinderat weder Rechtsverweigerung noch Rechtsverzögerung zum Vorwurf gemacht werden.»
Zwei 5G-Anlagen sind in Wohlen bereits in Betrieb
Kein Problem ist in diesem Zusammenhang offenbar, dass in Wohlen bereits zwei 5G-Anlagen in Betrieb stehen. «Tatsächlich ist es so», erklärt Arsène Perroud, «dass bei den erwähnten Standorten bereits die 5G-Technologie eingesetzt wird.
Dazu mussten jedoch keine Gesuche eingereicht werden, weil die Umstellung ohne bauliche Massnahmen vorgenommen werden konnte. Der Gemeinderat in seiner Funktion als Baubewilligungsbehörde war somit gar nicht involviert.
Abschliessend hält der Gemeindeammann fest: «Wie in jedem Rechtsverfahren ist es möglich, dass auch hier Beschwerden gegen die im Einzelfall vom Gemeinderat erhobenen Entscheide eingereicht werden. Die Rechtsstaatlichkeit des gemeinderätlichen Handelns ist dementsprechend auch hier vollumfänglich gegeben.»