
Brillante Dorfposse mit Vogelgezwitscher
«Sell emal cho!», «Freude herrscht!». Agneta, die Lettin, kennt die richtigen Antworten auf die falschen Fragen. Dabei will sie sich bei der Befragung zur Einbürgerung wirklich gut «metzgern». So sollte die Einbürgerungsabstimmung an der Grosshöchstetter Gemeindeversammlung, die zur Saisoneröffnung in die Kleine Bühne Zofingen verlegt ist, nur noch eine Formsache sein.
Metzger «Georgintsch» Schön hat der Erntehelferin, Haushälterin und Hausfrau bei Gemeindepräsident Peter Kellenberger schliesslich alles erforderliche Schweiz-Wissen eingetrichtert. Dass Agneta diesen Bildungskaffeesatz missversteht und satirisch verdreht, macht unter anderem den Witz des Stücks «Mary» aus. Naivität stellt besonders wirksam bloss. Schön (Ralf Schlatter) und die Matrosentochter Gut (Anna-Katharina Rickert) liefern mit diesem Stück bereits die fünfte Dorfsatire. Grosshöchstetten ist als Schauplatz immer noch gross genug, um schweizerische (Un)art lokal und zugleich doch universell abzubilden.
Agneta hats nicht einfach. Gemeindepräsident Kellenberger ist die Flirterei mit Alter Ego Metzger Schön ein Dorn im Auge. Er droht ihr, torpediert ihr Gesuch. Rasch hängt er Agneta noch einen Diebstahl an. Sie ist ihre Stelle im Spar los und der Mist ist geführt. Und Georgintsch Schön, vom Spar verdrängt, gibt seine Metzgerei mit Ziel Südsee auf. Ein Haus für Lüstlinge soll es werden. So pfeifen es die Spatzen von den Dächern. Falsch gezwitschert oder schlecht hingehört. Flüchtlinge sollen hier unterkommen. Diese Wahrheit ist in Kellenbergers Augen noch schlimmer als Fleischeslust.
Die Spatzen gibt es wirklich. Nur sind es Meisen, Schön und Gut zwitschern in munteren heiteren Intermezzi selber munter von den Bäumen. Die urkomischen Gerüchtestreuereien der sich aufplusternden Vögel sind so weltläufig nicht, wie die beiden schlauen Gefiederten meinen.
Agnetas Ausgangslage wie auch jene des Dorfes ist nicht rosig. Schön, dass nun endlich Frau Gut auf den Plan tritt und den Gemeindepräsidenten Peter Kellenberger kräftig aufmischt. Zur Stärkung singt sie vorab mit Schön noch ein feinsinniges Lied über die Schweiz, die sich doch nur um ihren Nabel dreht. Dann kann es losgehen.
Wie gerufen kommt sie, die Amerikanerin Mary mit Nachnamen Kellenberger und Grosshöchstetter Vorfahren. Dem Gemeindepräsidenten verdreht sie mit einer Million Franken im Koffer den Kopf. Schnurstracks will dieser die sinnliche Sirene aus Kentucky einbürgern, damit sie sich im Dorf investieren kann. Die Gemeindeversammlung bringt es dann an den Tag: Mary entpuppt sich als Gut, und Agneta pfeift auf die Schweizer Staatsbürgerschaft. Die Metzgerei wird genossenschaftlich organisiert und einer Nutzung zum Wohl der Allgemeinheit zugeführt. Und noch immer haben Schön und Gut einander ihre Liebe nicht gestanden. Fortsetzung folgt.
Mit «Mary» ist Schön und Gut erneut ein fintenreiches Stück Kabarett gelungen. Peppiger Gesang und feindurchwirkte Poesie überzuckern lustvoll dargebotene Gesellschaftskritik. Dass sich der Flirt der beiden Protagonisten in unterschiedlichsten Rollen und Variationen fortsetzt, ist Salz und Pfeffer in diesem literarischen Spiel. Günstlingswirtschaft und dörfliche Kleinkariertheit mit so viel Esprit künstlerisch zu kontern, hat viel Klasse.