
Fixsterne im vierhändigen Klavierspiel
Sie gelten als eine musikalische Ausnahmeerscheinung, die Schwestern Eva Elisabeth Schreyer-Puls und Angelika Maria Eysermans, geborene Schreyer. Sie nennen sich «tastiera armonica» (Harmonische Tastatur). Diese Eigenschaft ist in ihrem Zusammenspiel unüberhörbar und hat darüber hinaus die Qualität von «Vier Hände – ein Klang» erreicht. Man darf hinzufügen «und eine Seele». Denn so wie sie jede Nuance, jedes Stimmungsbild und jeden Akzent sinnstiftend übereinstimmend auslegen, treffen sie den Kern musikalischer Ausdrucksfähigkeit. An diesem Konzert waren es die Leidenschaft und Sehnsucht in Johannes Brahms’ «Ungarische Tänze» und die Feinheiten an Klangfarben des französischen Impressionismus in der «Rapsodie Espagnol» von Maurice Ravel.
Ein «Bestseller» der Zigeunermusik
Brahms lebenslange Begeisterung für die ungarische Musik hat ihren Ursprung in der Bekanntschaft mit dem ungarischen Geiger Eduard Remény. 1869 kamen zwei Hefte mit den ersten zehn Tänzen auf der Grundlage der ungarischen Zigeunerfolklore heraus, 1880 folgten zwei weitere Hefte mit den Tänzen 11 bis 21. Das Duo «tastiera armonica» spielte zuerst die Tänze 1 bis 5, dann folgte nach einer kurzen Pause der 8. Tanz und schliesslich war noch der Block aus den Tänzen 11 bis 16 zu hören.
Schon im ersten Tanz überraschte das brillante Zusammenspiel. Die linke Seite liess das markante Grundthema erklingen, rechts umschwirrt von virtuosen Figuren, einfach fantastisch wie sie aufeinander zugingen, sich wieder lösten und schliesslich gemeinsam ein musikalisches Feuerwerk entfalteten. Auf diese Art ging es weiter in den Tänzen 2 bis 5. Im zweiten gab das Duo der Leidenschaft Ausdruck, der dritte huldigte unbeschwerter Lebensfreude, der vierte kam mit beschaulicher Melodik daher, die sich gegen den Schluss hin beschleunigte.
Der fünfte Tanz, einer der bekanntesten, treibt ein rasantes Motiv immer schneller an, fällt kurz zurück in besinnliche Melodik und nimmt sofort wieder ein beschwingtes Tempo an. Das Besondere am achten Tanz ist der enge Dialog zwischen dem Duo, eben «Vier Hände – ein Klang». Im gleichen Sinn und Stil ging es weiter im Block der Tänze 11 bis 16: ein Wechselbad der Gefühle mit häufigen Änderungen im Tempo und Ausdruck, vom Duo fein aufeinander abgestimmt.
Musikalischer Traum von Spanien
So wie Brahms eine Vorliebe für Ungarn hatte, zog es Maurice Ravel nach seinem Traumland Spanien. Die «Rapsodie Espagnole» wird denn auch als Hommage an das Land wo die Zitronen blühen bezeichnet. Sie besteht aus den vier Sätzen «Prélude à la nuit», «Malagueña», «Habanera» und «Feria» (Volksfest). Eine absteigende Tonfolge wiederholt sich in allen vier Sätzen und führt somit zu den nachfolgenden Stimmungsbildern hin. Im «Malagueña» ist es ein Fandago, verträumt, nachdenklich, dazwischen auch aufschreckend. So richtig impressionistische Klangmalerei kennzeichnet das «Habanera». Ein quirliges Fest voller Leidenschaft ist schliesslich die «Feria» am Schluss der Rhapsodie und zugleich ihr längster Satz. Und wiederum konnte das Duo «tastiera armonica» sein präzises Zusammenspiel einbringen. Das Werk verlangt geradezu einen sicheren und präzisen Rhythmus sowie viel Schwung und die ausgelassene Stimmung der in «Feria» herrschenden Karnevalsatmosphäre.
Das Publikum war schier überwältigt von der Virtuosität, Ausdrucksdichte und Beweglichkeit im Wechsel von Stimmungsbildern des Duos «tastiera armonica» und entliess es erst nach zwei Zugaben.