
Weinhändlerin Bienz: «Meine Jobs waren eine gute Lebensschule»
SERIE
Die KMU-Frauen Schweiz bilden ein Netzwerk aus Unternehmerinnen, Gewerbefrauen und mitarbeitenden Partnerinnen sowie Frauen in leitenden Positionen, die in unterschiedlichen Branchen und Berufen tätig sind. Die rund 100 000 KMU-Frauen tragen in kleineren und mittleren Unternehmen Verantwortung – dies unter dem Motto «anerkennen – integrieren – vernetzen». Dieses Jahr werden die KMU-Frauen Schweiz 25 Jahre alt. Auch in der Region Zofingen gibt es zahlreiche KMU-Frauen. Vier stellen wir im Rahmen einer Sommerserie kurz vor.
Mehr Infos KMU-Frauen Schweiz: www.sgv-usam.ch
Mitten im blühenden Paradies ihres Gartens fühlt sich Brigitta Bienz wohl. Auf dem lauschigen Gartensitzplatz hat sie eine wundervolle Aussicht auf den Heitern, das Städtchen Zofingen sowie die Landschaft des angrenzenden Kantons Luzern. Der Garten ist eine grosse Leidenschaft von ihr – Wohlfühl-oase und Ausgleich zur Arbeit. «Eine gesunde Work-Life-Balance ist auch als Geschäftsfrau wichtig», betont die engagierte Unternehmerin. «Wenn man ein KMU führt, ist ein Dienst nach Vorschrift nicht möglich. Dennoch muss man ab und zu eine Auszeit nehmen. «Mein Mann und ich sind im Sommer gerne mit unserem Wohnmobil unterwegs oder im Winter gehen wir Ski fahren.» Besonders seit ihrem Burnout vor ein paar Jahren weiss sie, wie wichtig es ist, nebst dem Arbeitsalltag auch Freiräume für Körper, Geist und Seele zu schaffen. Die Erschöpfungsdepression hatte aber auch eine positive Seite, führte sie doch dazu, dass sich Brigitta Bienz dazu entschloss, voll in das Geschäft ihre Mannes Andreas – ein Cateringbetrieb und Weinhandlung – einzusteigen. «Seit 2016 führen wir das Geschäft zusammen. Dieses Jahr können wir unser 10-Jahr-Jubiläum feiern», freut sie sich. «Wir ergänzen uns wunderbar. Ich habe den organisatorischen, strategischen Part übernommen, während sich mein Mann als Macher und Weinkenner bestens bewährt.» Das Planen, aber auch der Kundenkontakt gefalle ihr sehr an ihrer Tätigkeit. «In einem KMU ist man Generalist, das macht die Arbeit, egal in welcher Branche, spannend und vielseitig», so die ehemalige Co-Präsidentin des Gewerbevereins Brittnau. Sie kenne alle Kunden persönlich, das schätze sie sehr. «In der KMU-Welt kennt man sich, vertraut einander und kann sich auf das Urteil der Fachfrau oder des Fachmannes verlassen. Das sind Werte, die bei Grosskonzernen nicht die gleiche Bedeutung haben.»
Von der KMU-Welt geprägt
Brigitta Bienz, die im unteren Aaretal aufgewachsen ist, kennt sich in der KMU-Wirtschaft bestens aus. Sie ist in der Gastronomie gross geworden. Ihre eigene Karriere startete sie mit einer klassischen KV-Ausbildung. «Ich hatte lange Zeit eine Vorliebe für Zahlen und daher Buchhaltungsjobs in Treuhandbüros ausgeführt.» Danach zog es sie in die Branche der Nonprofit-Organisationen, wo sie führende Positionen innehatte. Dabei behauptete sie sich 12 Jahre als Geschäftsführerin von Baukader Schweiz in einer Männerdomäne. Danach führte sie fünf Jahre das Alimenteninkasso Aargau in einem reinen Frauenteam. «Ich habe mich immer wieder weitergebildet, unter anderem zur Nonprofit-Managerin, das ist eine Generalistenausbildung, die mir jetzt im Betrieb sehr nützlich ist», so die 65-Jährige. Sie habe ihr Leben lang das Privileg gehabt, dass sie immer arbeiten durfte und nicht musste», zieht sie Bilanz über ihre Karriere. Diese Jobs seien auch eine gute Lebensschule gewesen und hätten ihr auch viel fürs Leben gegeben – Selbstbewusstsein, Standhaftigkeit und Durchsetzungsvermögen.
Ohne Weiterbildung geht es nicht
Als erfahrene KMU-Frau hat sie eine klare Haltung bezüglich der Rolle der Frau in der Geschäftswelt. «Frauen sollten sich beruflich so engagieren, wie es für sie und ihr Umfeld stimmt.» Aus eigener Erfahrung weiss sie, wenn eine Frau beruflich etwas erreichen will, dann erreicht sie es auch. Von Frauen-Quoten hält sie gar nichts: «Bei der Besetzung einer Führungsposition ist Profil und Ausbildung wichtig, nicht das Geschlecht.» Allerdings räumt sie ein, «dass es vor allem in Grossfirmen Frauen zum Teil schwer haben, einen Kaderposten zu ergattern». Doch in der KMU-Wirtschaft sei die wichtige Rolle der Frau schon längst erkannt worden. Als sehr wichtig erachtet Brigitta Bienz eine gute Ausbildung. «Die jungen Frauen sind heute viel besser ausgebildet als noch unsere Generation. Heute darf man nicht stehen bleiben, deshalb ist eine gute Weiterbildung unerlässlich. IT und die sozialen Medien entwickeln sich in einem rasenden Tempo, davor können wir uns nicht verschliessen, wenn wir weiterkommen wollen.» Ebenso zentral sei ein gutes Networking. Allerdings müsse dies situativ geschehen und nicht in einem starren Rahmen wie beispielsweise in einem Frauennetzwerk.
Als Mutter von drei erwachsenen Söhnen und Grossmutter von elf Enkelkindern weiss sie auch, was es heisst, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen: «Es braucht viel Organisationstalent und einen guten Arbeitgeber. Ich bin jeweils mit dem neuen Stundenplan meiner Kinder zu meinem Arbeitgeber und habe die Arbeitszeit entsprechend abgestimmt. Parallel habe ich eine Tagesmutter engagiert», so Brigitta Bienz. Die Berufsfrau wünscht sich, dass künftig der Mensch wieder mehr im Mittelpunkt steht mit all seinen Facetten wie Freude, Stärken, Sorgen, Ängste etc. «Wir müssen wieder mehr Fingerspitzengefühl für unser Gegenüber entwickeln.»