Nach 34 Jahren Ehe: Aargauer Rosenkrieg landet vor den Bundesrichtern

34 Jahre nach der Hochzeit folgte im November 2016 die Scheidung. Der Entscheid des Bezirksgerichts Zofingen war der Schlusspunkt der Ehe – und gleichzeitig der Auftakt eines Rechtsstreits, der die Instanzen bis hoch zum Bundesgericht beschäftigt. Auslöser des juristischen Schlagabtauschs: der nacheheliche Unterhalt.

Oder anders gesagt: Die Frage, wie hoch jener Betrag sein soll, den der Mann seiner Ex-Frau, mit der er zwei erwachsene Kinder hat, monatlich überweisen muss. 5760 Franken hielt das Bezirksgericht für angemessen. Viel zu hoch, befand hingegen der geschiedene Gatte und zog den Entscheid weiter ans Aargauer Obergericht. Dort erreichte er einen Teilerfolg und eine Reduktion um rund 170 Franken. Immer noch deutlich mehr, als er bereit war, seiner ehemaligen Ehefrau Monat für Monat zu überweisen, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.

In seiner Beschwerde an die oberste Instanz des Landes legt er seine Vorstellung der Unterhaltshöhe offen. Er zeigt sich einverstanden, rund 1980 Franken zu bezahlen – also gut einen Drittel des ursprünglichen Betrags. Mit der Zeit sollte sich diese Zahl um weitere rund 600 Franken verringern, so lautet die Forderung des Mannes.

Einkommen mit Fragezeichen

Unbestritten im konkreten Fall ist die Pflicht zur Bezahlung der monatlichen Beiträge. Die Idee des nachehelichen Unterhalts: Auch nach der Scheidung soll der finanzielle Bedarf von Frau und Mann gedeckt sein. Dies ist insbesondere für jene Konstellationen vorgesehen, in denen einer der Partner während der Ehe das Arbeitspensum stark reduziert oder sich ganz auf Kinder und Haushalt konzentriert hat. Die Unterhaltspflicht soll den oftmals nicht ganz einfachen Wiedereinstieg in die volle Arbeitstätigkeit erleichtern. Im Gesetz ist die Rede von einem angemessenen Beitrag.

Was das im konkreten Fall bedeutet, haben die Gerichte festzulegen, sie müssen dabei unter anderem die Dauer der Ehe, die Aufgabenteilung, die Ausbildungen sowie die Einkommen berücksichtigen. Letzteres spielt im aktuellen Fall eine zentrale Rolle: Der Mann kritisiert, das Obergericht habe ihm ein zu hohes Einkommen angerechnet.

Die Rechnung ist deshalb kompliziert, weil der Ehegatte nicht nur zu 40 Prozent für seine eigene Firma, sondern auch zu 60 Prozent für ein anderes Unternehmen gearbeitet hat, bis er dort aufgrund einer Reorganisation entlassen wurde.

In der Folge erhielt er durchschnittlich 4900 Franken im Monat an Taggeldern von der Arbeitslosenversicherung. Geld, das vom Obergericht nicht für die Berechnung des Einkommens berücksichtigt worden ist.

Stattdessen bezog sich die kantonale Instanz auf den Gewinn seiner Firma, bei der er als einziger Gesellschafter und Geschäftsführer amtete. Mit Verweis auf das schwankende Arbeitspensum im eigenen Unternehmen geht das Obergericht davon aus, dass eine Tätigkeit von 80 Prozent und somit ein höheres Einkommen als vor der Entlassung möglich wäre.

Höchstrichterliche Kritik

Der Betroffene hält diese Berechnung für willkürlich und kritisiert, das kantonale Gericht habe den Verhandlungsgrundsatz verletzt. Dieser besagt: Die Parteien sind selbst dafür verantwortlich, die zentralen Tatsachen und Beweismittel zu präsentieren, worauf die Richter auf dieser Basis zu entscheiden haben.

In diesem Fall heisst das: Die Frau muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres Ex-Mannes nachweisen. Nach Ansicht des Bundesgerichts hat sie dies allerdings nicht genügend getan. Die obersten Richter werfen der Vorinstanz deshalb vor, das Urteil auf Tatsachen abgestützt zu haben, «die von den Parteien nicht hinreichend in den Prozess eingeführt worden sind», wie es im Urteil heisst. «Dadurch hat das Obergericht den Verhandlungsgrundsatz verletzt und den Sachverhalt rechtsfehlerhaft festgestellt.»

Die Folgen: Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Mannes gut, hebt das Urteil des Aargauer Obergerichts auf und weist den Fall für einen neuen Entscheid dorthin zurück.

Bundesgerichtsurteil 5A_808/2018