
In Basel Generalstreik – in Zofingen Patriotismus
Mit Höhenfeuern und Feuerwerk, mit Wurst und Brot, und da und dort mit Reden begehen wir morgen den 1. August. Was feiern wir eigentlich? Natürlich den Geburtstag der Eidgenossenschaft. Woher aber wissen wir, dass mit dem Bundesbrief von 1291 tatsächlich der Grundstein zu unserem Staat gelegt wurde? Weil dies der Bundesrat so dekretiert hat – im Vorfeld von 600 Jahre Eidgenossenschaft im November 1889. Im Amtsdeutsch der damaligen Zeit: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat ihren Anfang im Bunde genommen, welcher von den Leuten von Uri, Schwyz und Unterwalden am 1. August 1291 unter sich errichtet worden ist.»
Neben dem Rütli-Schwur gibt es die Freiheitsbriefe der Schwyzer und Urner. Sie sind älter als der Bundesbrief – und mit ihnen tritt die spätere Schweiz in die Geschichte der Neuzeit ein. Was gegen diese von Friedrich II. ausgestellten Urkunden als Gründungsdokumente der Schweiz spricht, schreibt das Festkomitee der Bundesfeier von 1891: «Es scheint nicht passend, den Ursprung der Schweizer Freiheit von der Gnade eines Fürsten abgeleitet darzustellen. Diese Freiheit ist nicht geholt worden in Hagenau oder im Lager von Faenza, sondern sie hat ihren Ursprung in den Herzen der Landleute der Waldstätte.»
Bundesangestellte mussten 1891 zur Arbeit
Gefestet wurde 1891 mit Schwerpunkt Schwyz drei Tage lang. Höhepunkt war am 1. August die Rütli-Feier mit einer Ansprache von Bundesrat Emil Welti (ein Aargauer), welche in vielen Zeitungen in voller Länge abgedruckt wurde. Was allerdings einen Drittel der damals 147 Nationalräte bewog, der Feier fernzubleiben, darüber lässt sich nur mutmassen. Eine mögliche Erklärung: Den auf dem Rütli nicht präsenten Volksvertretern ist es wie den Angestellten der Eidgenössischen Waffenfabrik ergangen: Sie mussten am 1. August 1891 zur Arbeit.
Nach der Jubelfeier von 1891 hatte man offensichtlich für eine Weile lang genug gefestet. Erst 1899 nahm der Bundesrat die Idee einer Bundesfeier wieder auf und führte für den 1. August ein abendliches Festgeläute ein. Die damalige Landesregierung: «Glockengeläute und ein Augenblick ruhiger Sammlung am Ende eines arbeitsreichen Tages stellten eine würdigere Vaterlandsfeier dar als lärmende Feierlichkeiten.» Nach und nach entwickelte sich das, was wir heute als 1. August kennen. Bis er zum Feier- und damit zum arbeitsfreien Tag wurde, dauerte es bis 1994.
Wie wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1919 und damit vor hundert Jahren in der Region Zofingen gefeiert? Blättert man die Juli-Ausgaben des Zofinger Tagblatts – «Täglicher Anzeiger für den Bezirk Zofingen und die Mittelschweiz» – durch, finden sich keine Veranstaltungshinweise. Dafür ein Inserat der Kantonalen Brennstoffzentrale mit Informationen zur auch für den Winter 2019/2020 bestehenden Kohlenot. Auf einer anderen Seite diese Annonce: «Das vorzügliche und billige Kaffee-Surrogat Virgo Complett ist wieder in der früheren Friedensqualität erhältlich».
«Festgewurzelter patriotischer Sinn» auf dem Heitere
Dann die Ausgabe vom 1. August. Auf der Frontseite – deren Fuss für den täglichen Fortsetzungsroman «Suchende Seelen» reserviert war – eine Art Leitartikel. Zitat: «Der erste August ist der Grosse Ehrentag der schweizerischen Nationalität. (…) Was wir Schweizer den Vorfahren schuldig sind, braucht am heutigen Tag nicht gefragt zu werden.»
In derselben Ausgabe zwei Hinweise auf abendliche Feiern in Zofingen und Reitnau. «Herr Pfarrer Fischer wird die Ansprache halten und die Vereine etwas leisten.» In Zofingen habe die Bundesfeier «erst in letzter Stunde Gestalt angenommen», ist zu lesen. Ging es um die Teilnahme der Stadtmusik oder fehlte es an einem Festredner? Wir wissen es nicht. Infos gibt es zum Höhenfeuer auf dem Heitere – es soll «Ausdruck geben von dem festgewurzelten patriotischen Sinn».
In der Ausgabe vom 2. August erfahren wir, dass es an den Vortagen in Basel zu einem Generalstreik gekommen ist – ein «Pöbelhaufen» habe «freiwillige Truppen» zum Eingreifen veranlasst. Fünf Menschen wurde am 1. August 1919 in Basel erschossen.