Ein Hundertjähriger sagt: «Ich bin digital»

Bereits der Empfang am Hirschenmattweg ist sehr bewegend. «Herzlich willkommen! Treten Sie ein, ich freue mich über Ihren Besuch.» Und dann geht das Berichten mit Elan und unzähligen persönlichen Anekdoten im Schnellzugstempo weiter. Dabei zeigt er auch immer wieder Fotos – aus alten und neuen Zeiten – auf dem modernen Handy. «Ich bin digital», sagt Walter Baumann. Geboren wurde er am 1. Juli 1919 in Bottenwil. Bereits als er viereinhalb Jahre alt war, starb sein Vater. Neben ihm gab es noch einen jüngeren Bruder – das brachte die Mutter in grosse Not. Die beiden Kinder kamen in Pflegefamilien. «Das war nicht schön und mein Pflegevater war alles andere als nett, ich fand ihn sogar in diesem jungen Alter dümmer als mich selber.» Die Schulen durchlief Walter Baumann in Safenwil. Eine Lehre habe er nicht machen können, weil er arbeiten musste, um Geld zu verdienen. Er absolvierte die Rekrutenschule – als erste Gruppe in einer Grenadier-Kompanie, erwähnt er stolz. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs musste er bis im Mai 1945 Aktivdienst leisten. Kurz vor der Rekrutenschule habe er das schönste Mädchen kennen gelernt; und am 9. Oktober 1943 habe er Trudi Fischer dann geheiratet. Eine Tochter und einen Sohn hat das Ehepaar bekommen.

Berufliche Erfolge

Als der Krieg beendet war, fand Walter Baumann in der «Bleiche» in Zofingen eine Arbeitsstelle. Während fünf Jahren arbeitete ich nicht nur in einem vollen Schichtbetrieb, sondern absolvierte auch jeden Tag vier Stunden Weiterbildung. Als Webermeister, später Obermeister und zuletzt als Personalchef war er intensiv mit dem Betrieb verwurzelt. Bewegend sind seine Erzählungen aus dieser Zeit. Im Zeugnis aus dem Jahr 1984 zum Abschied aus dem aktiven «Bleiche»-Berufsleben heisst es etwa: «Walter Baumann ist der geborene Instruktor»; und weiter: «Er versteht es hervorragend, seine Erfahrungen und sein Wissen mit Konzilianz und Ausdauer weiterzugeben.»

Nach einer schwierigen Kindheit und Jugend musste Baumann auch als Erwachsener viele Schicksalsschläge hinnehmen. Seine erste Frau starb 1996, seine Tochter 1999. Auch seine zweite Frau verlor er 2003, ein Jahr später seinen Schwiegersohn. Nachdem er verschiedene Häuser gebaut und später wieder verkauft hatte, entschied er sich im Jahr 2003, in eine Mietwohnung nach Strengelbach zu ziehen. «Ich kann noch vieles selber erledigen: Autofahren, Einkaufen, Kochen, Steuererklärungen ausfüllen.» Beim Putzen und Waschen habe er Hilfe.

Einen wunderschönen Geburtstag habe er am Sonntag in der Freikirche Bibel-Treff in Rothrist gefeiert. «Es war so schön zusammen mit all den Menschen, die mir wohlgesinnt sind.» Am Geburtstag vom Montag freute er sich auch über den Besuch von Gemeinderätin Karin Nauer und Gemeindeammann Stephan Wullschleger. Nicht nur die Blumengaben aus der Gemeinde und dem Kanton wurden gelobt, der Jubilar genoss auch den intensiven Gedankenaustausch. Er interessiere sich immer noch für Politik, sagt Baumann. «Ich mache mir aber Sorgen, ob bei der grossen Belastung sich immer noch Menschen finden, die diese Ämter übernehmen wollen.»