Apéro-Leitfaden des Bundes soll Gäste von Umweltsünden und Food-Waste abhalten – es setzt Kritik

Der Bund erarbeitet sich immer neue Themenfelder, um die Bevölkerung in ihrem Alltag zu unterstützen. Zuletzt gab er einen Apéro-Leitfaden heraus, um eine «genussvolle und umweltfreundliche Verpflegung» zu gewährleisten. Besonderes Augenmerk gilt der Vorbereitung: Bei der Bestellung des Apéros und der Auswahl des Anbieters stehen vegetarische und biologische Produkte an vorderster Stelle – in allen Belangen. Das Buffet soll zu 2/3 vegetarisch sein, allfällige Fleischprodukte sollen im hinteren Teil des Buffets platziert werden und der Caterer soll auf ein vegetarisches Angebot spezialisiert sein.

Weiter soll die Menge reduziert werden: Es sei für maximal 80 Prozent der angemeldeten Personen Essen und Trinken zu bestellen, da dies erfahrungsgemäss der tatsächlichen Teilnehmerzahl entspreche. Wer schon einen Apéro erlebt hat, an dem Essen und Getränke ausgingen, ist geneigt, diesem Vorschlag zu widersprechen. Zumal das Bundesamt für Umwelt auch empfiehlt, das Übriggebliebene entweder für «spätere Pausen» bereitzustellen (wobei Apéros in der Nicht Beamten-Welt öfters ausserhalb von Büros stattfinden). Alternativ sind Schalen und Säcke aus nachhaltigem Material bereitzuhalten, damit die Teilnehmer (nicht die Gäste) Essensreste mit nach Hause nehmen können.

Eine Frage des Umweltschutzes

Das Bundesamt erklärte bereits im Mai auf Anfrage dieser Zeitung, dass es im Bereich Ernährung noch grosses Optimierungspotenzial gebe. Sein Anteil an der gesamten Umweltbelastung liegt bei 28 Prozent. Die Sensibilisierung der Bevölkerung sei eine wichtige Massnahme zur Schonung natürlicher Ressourcen.

Nun gab dieser Leitfaden am Dienstag auch im Parlament zu reden. Der Walliser CVP-Nationalrat Philipp Matthias Bregy wollte in der Fragestunde von der zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga wissen, worauf die Empfehlungen basieren und wieso gewisse Labels empfohlen werden und andere nicht. Die vorgeschlagenen internationalen Labels wie Max Havelaar oder Rain Forest Alliance stünden im Widerspruch zu den umweltfreundlichen Empfehlungen. Zumal aus Bregys Sicht die Schweizer IP-Produkte im Leitfaden zu wenig Gewicht erhalten, gerade weil viele hiesige Bauern nach diesem anerkannten, nachhaltigen Label produzierten.

Sommaruga ging auf die Auswahl der Labels im Leitfaden nicht näher ein. Sie erklärte: «Das Bundesamt für Umwelt hat gemäss dem Umweltschutzgesetz die Aufgabe, die Bevölkerung über umweltverträgliches Verhalten zu informieren und Massnahmen zur Verminderung der Umweltbelastung zu empfehlen.» Etwa bezüglich Food Waste oder dass Ernährung einen gewichtigen Teil der Umweltauswirkungen ausmache. «Tierische Produkte und insbesondere Fleisch verursachen im Vergleich zu pflanzlichen Lebensmitteln eine höhere Umweltbelastung.»

Wohin führt das alles?

Handlungsbedarf sei insbesondere bei der Sensibilisierung angezeigt. Nationalrat Bregy stellt das in Frage: «Ein Merkblatt für Apéros ist nicht geeignet, um die Umwelt zu retten.» Da gebe es viel effizientere Möglichkeiten. Zudem stelle er sich die Frage, ob der Bund konsequenterweise nicht auch für ganz andere Bereiche Merkblätter und Empfehlungen zum Schutz der Umwelt herausgeben müsste. «Nur wohin führt das?» Die Bundesämter könnten nicht einfach massenweise Empfehlungen erlassen, bei welchen der Mehrwert höchst fraglich sei. Der Walliser Anwalt sieht im Apéro-Merkblatt ein problematisches Phänomen: «Der Staat übernimmt immer häufiger Aufgaben, die er gar nicht muss – und beklagt dann zu wenig Mittel zur Verfügung zu haben.»