Von der Armenherberge zur Premiumklasse

Stiftung steht im Zentrum

In der fraglichen Stiftungsurkunde von 1482 heisst es sinngemäss: «Werner Scherer und seine Frau Elsa stiften zum Lobe Gottes und zum Trost aller gläubigen Seelen ihr Haus, das sie als eine Herberge für die Armen und als ein Waisenhaus hatten bauen lassen, der Stadt Olten.» Bislang ist nicht geklärt, ob die Stiftung tatsächlich besagt, das Haus 27 an der heutigen Marktgasse müsse karitativen Zwecken dienen. Immerhin: Bis 1905 sind in der Armenfondsrechnung der Bürgergemeinde Olten bei den Einnahmen Kapitalzinsen aus dem Spittel eingegangen. (otr)

An der Gemeindeversammlung der Bürgergemeinde Olten stiess bloss eines der zu behandelnden Geschäfte auf Widerstand. Der Bürgerrat hatte einen Baukredit von 1,6 Mio. Franken beantragt, um beim Gebäude Marktgasse 27 eine Totalsanierung vorzunehmen. Es handelt sich um das Haus an der Ringmauer, das an den sogenannten Hexenturm und die «Spittelschür» anstösst.

Leere Wohnungen

Bürgergemeindepräsident Felix Frey erläuterte den Kreditantrag. Die Wohnungen stehen gegenwärtig leer. Es handelt sich um je drei Zweizimmerwohnungen und Dreizimmerwohnungen. Sie sind sanierungsbedürftig und sollen nun in einen zeitgemässen Zustand gebracht werden. Dabei soll auch die Heizung mit jener des Nachbarhauses Marktgasse 25 verbunden werden. Überdies soll das Treppenhaus den Sicherheitsstandards angepasst werden. Angestrebt werden Mietzinseinnahmen von 82’000 Franken, was einer Bruttorendite von rund fünf Prozent entspricht.

Markus B. Meyer stellte nun den Antrag, diese Investition zurückzustellen, verbunden mit dem Auftrag, die Rechtslage abzuklären. Auf das Haus wurde nämlich im Spätmittelalter eine Stiftung eingerichtet, mit dem Zweck, darin eine Armenherberge zu betreiben. Diesem Stiftungszweck solle Rechnung getragen werden und das «Spittel» nicht wie ein anderes Renditeobjekt dem Portfolio der Bürgergemeinde einverleibt werden. Meyer berief sich auf bestehende Rechtsgutachten und auf eine städtische Abstimmungsweisung. Er appellierte an die Versammlung, das Geschäft zu vertagen, um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Unterstützung erhielt er vom früheren Stadtarchivar Martin Eduard Fischer. Stiftungen seien grundsätzlich unbefristet und unveränderlich. Die Stiftungsurkunde sei im Archiv vorhanden. Sie sei unbeschädigt, das heisst nicht durch Schnitte annulliert. Deshalb sei sie nach wie vor gültig und könne nicht ignoriert werden.

Felix Frei hielt dem entgegen, dass im Grundbuch die Bürgergemeinde als Eigentümerin der Liegenschaft eingetragen sei, ohne dass solche Auflagen vermerkt seien. In einem ersten Schritt lehnte die Versammlung den Rückweisungsantrag mit 18 Nein- zu 7 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung ab. Daraufhin stimmte sie dem Kreditantrag für die Sanierung der Marktgasse 27 mit 20 Ja zu 3 Nein grossmehrheitlich zu. Keinerlei Opposition hingegen erwuchs dem Antrag, die Erlimoosstrasse für 165’000 Franken zu sanieren. Reto Schibli von der Baukommission ergänzte, dass von Bund und Kanton über 50 Prozent Subventionen zu erwarten seien.

Haupttraktandum des Abends waren die Rechnung und der Rechenschaftsbericht über das Jahr 2018. Die Jahresrechnung schliesst bei einer Gesamtsumme von 8,6 Mio. Franken mit einem Aufwandüberschuss von knapp 90’000 Franken ab. Bürgergemeindepräsident Felix Frey, Bürgerschreiberin Arlette Maurer sowie die Bürgerräte Reto Schibli und Walter von Känel kommentierten die wichtigsten Abweichungen vom Budget. Das Sälischlössli und das Restaurant Froburg sind bei der Bevölkerung beliebt, mit ihnen können aber nur schwer ausgeglichene Rechnungen erreicht werden. Die Wälder werden neu vom Zweckverband Unterer Hauenstein bewirtschaftet. Durch die Integration des Oltner Forsts resultierten einmalige Gewinne durch Verkäufe von Maschinen und Geräten.

Mehrere Stiftungen

In der Obhut der Bürgergemeinde befinden sich mehrere Stiftungen und Fonds im Wert von rund 1 Mio. Franken. Ihnen belastet die Bürgergemeinde jeweils Bürokostenanteile von 500 Franken. Bei der Behandlung der Rechnung wurde aus den Reihen der Versammlung aber kritisiert, dass der Theodor Trog-Stiftung für das Büro 10’000 Franken belastet werden. Für den eigentlichen Stiftungszweck Alters- und Familienfürsorge hingegen wurden gerade einmal 1500 Franken gesprochen. Die 26 anwesenden Bürgerinnen und Bürger hiessen schliesslich Rechnung und den Rechenschaftsbericht bei drei Enthaltungen gut.