Die erste einheitliche Uhrzeit unseres Landes kam aus der Thutstadt

Seit dem 1. Juni 1894 – seit 125 Jahren – richtete die Schweiz ihre Uhren nach Greenwich aus und trat damit der mitteleuropäischen Zeitzone (MEZ) bei. Die ist bezogen auf unsere Längengrade astronomisch ungenau. Sie weicht von der Berner Zeit – und damit dem mittäglichen Sonnenhöchststand in der Bundeshauptstadt – um eine halbe Stunde ab. Berner Zeit? Auch im Bundesstaat von 1848 kannten die Städte der Eidgenossenschaft ihre Lokalzeiten. In der ersten Bundesverfassung gab es Bestimmungen über die Vereinheitlichung von Münzen, Massen und Gewichten, aber keine zur Uhrzeit.

13 Stunden von Zürich nach Bern

Von Graubünden bis Genf betrug der Zeitunterschied 18 Minuten – was niemanden störte. Wer 1851 mit dem Expresswagen der Post von Zürich nach Bern reiste, benötigte dafür über 13 Stunden. Im Vergleich dazu waren die rund 4 Minuten Unterschied in der Lokalzeit der beiden Städte bedeutungslos. Während in anderen Ländern der Aufbau des Eisenbahnnetzes nach einer normierten Zeit rief, war das in der Schweiz – die beim Bahnbau im Rückstand war – nicht der Fall. Rasch aber (nur zwei Monate nach Inkrafttreten der Verfassung) schuf das Bundesparlament ein eidgenössisches Postmonopol und hob 17 kantonale Postverwaltungen auf. 1851 wandten sich «führende Handelsunternehmen» an das eidgenössische Baudepartement, bei welchem die Post damals angesiedelt war. Sie verlangten das, was in Europa im Nachrichtenaustausch eine Revolution ausgelöst hatte: den Telegrafen. Die Bedeutung seiner Einführung lässt sich wirtschaftlich mit jener des Internets vergleichen.

Telegrafen-Hochburg Zofingen

Bereits ein Jahr später – 1852 – wurden die vier Telegrafeninspektionskreise Bellinzona, Lausanne, St. Gallen und Zofingen (Kantone Bern, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Land, Aargau, Luzern, Schwyz, Ob- und Nidwalden) geschaffen und vorerst 70 Telegrafenbüros in Betrieb genommen.

Der Bundesrat schrieb damals in einer Botschaft an das Parlament: «Der Raum verschwindet, und eine Nachricht, die an der Nordsee dem galvanisierten Drahte anvertraut wird, kann in derselben Minute dem Beobachter am Mittelmeer bekannt gemacht werden.» Eine einheitliche Zeit tue not. Der Antrag: Die verschiedenen Lokalzeiten durch eine Landeszeit abzulösen – durch die Berner Zeit. Umgehend ordnete das Eidgenössische Post- und Baudepartement an, dass die Uhren auf allen Telegrafenbüros nach der Zeit des Meridians von Bern zu richten seien.

Taktgeberin Zofingen

Vom Juli 1853 an zeigten die Uhren aller Post- und Telegrafenämter in der ganzen Schweiz die gleiche Zeit. Taktgeberin war eine Zentraluhr in Zofingen, welche nach der astronomischen Zeit von Bern lief. 1860 übernahm diese Funktion das Observatorium Neuenburg.

Teuer, aber rasant

Im 19. Jahrhundert wurde eine neue Art der Nachrichtenübermittlung entwickelt, die es den Menschen ermöglichte, über grosse Entfernungen hinweg fast ohne Zeitverzögerung zu kommunizieren: Die Telegrafie. Bis dahin wurden Nachrichten mit Glocken, Fahnen, Höhenfeuern, Meldeläufern, Tauben oder auf Postkutschen und Schiffen übermittelt.

Telegrafieren war aufwendig und teuer. Die Kosten der Infrastruktur und Bedienung wollten bezahlt sein. 1860 kostete das günstigste Inland-Telegramm einen Franken – ein Kilo Brot war damals für 40 Rappen zu haben, ein Arbeiter verdiente 12 Rappen die Stunde.