Warum Zofingen Charakter hat

Verglichen mit anderen Schweizer Kleinstädten gehört Zofingen zu den überschaubarsten Orten. Doch die Thutstadt hat einen entscheidenden Vorteil: Sie erstrahlt befreit von jedem Schatten einer grösseren Stadt. Aarau und Olten sind zu klein. Die übrigen Städte zu weit entfernt.

Gemeinden wie Dietikon, Köniz, Pratteln oder Steffisburg zählen allesamt mehr Einwohnerinnen und Einwohner als Zofingen. Doch sie erblassen im Schatten von Zürich, Bern, Basel und Thun. Besonders jüngere Menschen in diesen Vorortsstädten können sich immer weniger mit ihrem Wohnort identifizieren. Sie sehnen sich nach einem Leben raus aus der Agglo, rein in die «Grossstadt» – diese verschluckt die jungen Leute aus den Vororten wie ein gefrässiger Hai.

Als Zürcher war ich immer wieder beeindruckt, wie gross die Vielfalt an Vereinen in der Region ist und wie sich auch junge Leute in den diversen Organisationen engagieren – fast ausschliesslich freiwillig. Dafür braucht es eine grosse Portion Identifikation mit der Heimat. Dass das Zofinger Tagblatt als eine der wenigen Aargauer Lokalzeitungen noch eigenständig ist und eben gerade wieder Leserinnen und Leser zulegen konnte, hat zu einem grossen Teil mit dieser Identifikation zu tun.

Klar, auch aus der Region Zofingen zieht es viele Junge in urbane Gebiete. Doch ich habe erstaunlich viele Leute getroffen, welche nach dem Auszug bei den Eltern der Region treu geblieben sind. Diejenigen, die trotzdem abwandern, zieht es nicht mehrheitlich in eine einzelne Stadt; sie verteilen sich gleichmässig auf Bern, Basel, Zürich und Luzern. Es gibt keine Stadt, zu der sich alle jungen Zofingerinnen und Zofinger hingezogen fühlen– die Thutstadt bleibt der geliebte heimatliche Boden. Zofingen gehört zwar nicht zu den grössten und wirtschaftlich stärksten Städten – punkto Charakter ist sie aber fast unschlagbar.

Höre ich Baden oder Brugg, denke ich an Aargau. Höre ich Zofingen, denke ich an Zofingen. So soll es bleiben.