
Orchester Zofingen spielte bewegende Musik zum Muttertag

Das Programm am Sonntagnachmittag beschrieb verschiedene Bewegungsarten: Zuerst Wind und Wellen des Meeres in der «Hebriden-Ouvertüre», wie sie Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809–1847) im Jahr 1829 bei einem Besuch der Britischen Inseln wahrnahm. Ungefähr zur gleichen Zeit dokumentierte Franz Schubert (1797–1828) in der 7. Sinfonie, der «Unvollendeten», den dramatischen Wechsel seiner Gefühle zwischen Hoffen und Bangen in seinem kurzen Leben. Unbeschwert, heiter und munter schloss das Muttertagskonzert des Orchesters Zofingen unter der Leitung von Markus J. Frey mit dem Flötenkonzert D-Dur von Carl Reinecke (1824–1910) mit Blanka Kerekes als Solistin ab.
Äussere und innere Verdichtung
Die «Hebriden-Ouvertüre» malt mit musikalischen Mitteln ein Naturgeschehen aus, heute als «sinfonische Dichtung» bezeichnet. Anfänglich illustrieren Bratsche, Cello und Fagott poetisch einen sanften, wiegenden Wellengang. Zunehmend kehrt Dynamik ein, hervorgerufen durch einen Paukenschlag und den Einsatz von Bläsern, ein aufbrausendes Tutti markiert die Brandung, Sturmböen brausen auf. Dann beruhigen sich Meer und Wetter, die schauerlich-schönen Klangwelten weichen lyrischen Stimmungsbildern. So geht es hin und her, hohe Anforderungen an die Konzentration und die Einbindung des Orchesters in die wechselvolle Strömung in der Ouvertüre verlangend, was eindrücklich und bewunderungswürdig geschehen ist.
Statt eines Naturereignisses legt die Sinfonie Nr. 7 in h-Moll, die «Unvollendete» genannt, das Innenleben eines bedrängten Menschen aus. Schubert war 1822 krank und mittellos. Laut Programmheft schrieb er einem Freund: «Ich kann nirgendwo hinkommen, habe gar kein Geld und es geht mir überhaupt ganz schlecht.» Die damals komponierte Sinfonie besteht aus nur zwei Sätzen statt der üblichen vier, blieb also diesbezüglich unvollendet. Trotzdem sagt sie alles aus, was ein Mensch im Wechselbad der Gefühle erleben und in unsterblicher Musik ausdrücken kann. Dass dies im Publikum mitfühlend angekommen ist, liegt in der ausserordentlich sensiblen dynamischen Gestaltung, Modulation und Tonbildung des Orchesters Zofingen. Dirigent Markus J. Frey muss intensiv daran gearbeitet haben, sonst wäre die «Unvollendete» nicht so unbeschreiblich berührend geworden.
Das begann im «Allegro moderato» mit einem bedrückenden Motiv für Cello und Kontrabass in pianissimo. Die Violinen antworteten mit düster klingenden Sequenzen, worauf Klarinette und Oboe das Hauptthema vorstellten. Dann ging es hin und her im Wechsel der Gefühle zwischen hilfloser Verzweiflung und einem Hauch von Hoffnung. Zum Abschuss des ersten Satzes werden die verarbeiteten Themen zum Finale verbunden. Der zweite Satz «Andante con moto» klingt versöhnlicher, wie wenn sich der Komponist seinem Schicksal ergeben hätte. Das geht aber nicht ohne dramatische Einschübe, das Zerbrechliche im Schicksal des Menschen antönend. Der Schreibende hat diese Sinfonie schon mehrmals gehört, aber noch nie so viel davon mitgenommen.
Lichtvolles Flötenkonzert
Entspannung brachte das abschliessende Flötenkonzert. Nach einem kurzen Vorspiel des Orchesters schmeichelte sich Blanka Kerekes mit figurenreichen Partien ein. Sie ist eine Solistin mit hervorragender Ausbildung, reicher Konzerterfahrung und weltweiter Anerkennung. Das «Allegro moderato» war mit sprühender Freude am Musizieren in Übereinstimmung mit dem Orchester versehen, das «Lento e mesto» entfaltete Poesie und Melodik, und im Finale wurde das Thema in vielen Varianten virtuos abgewandelt; das Flötenspiel funkelte aus der zurückhaltenden Begleitung des Orchesters hinaus. Blanka Kerekes’ Augen funkelten ebenfalls aus Freude am langen Applaus. Als Zugabe stimmte sie «Moon River» an und reichte ihr Blumenbukett an die Mutter im Publikum weiter. Es war ja Muttertag.