Grossräte fordern ein 5G-Moratorium im Aargau: «Die Risiken der Handystrahlen sind keine Lappalien»

Das Thema bewegt und die Unsicherheit in der Bevölkerung ist spürbar.» Das sagt SP-Grossrat Thomas Leitch, der seit 1997 im Kantonsparlament sitzt, zu den Ausbauplänen der Schweizer Telekomanbieter für die 5. Generation des Mobilfunknetzes (5G).

Leitch ist sich bewusst, dass Funk und Fernmeldetechnik grundsätzlich Bundessache sind. «Kantone und Gemeinden können über das Baurecht allerdings mitreden», hält er in seiner Interpellation fest, die er morgen Dienstag einreicht.

Die Kantone Genf, Waadt und Jura haben 5G-Antennen verboten oder ein Moratorium verlangt, bis der Bund einen Bericht vorlegt, der die Unschädlichkeit der Strahlung für Menschen, Tiere und Pflanzen beweist.

So weit will Leitch mit seinem Vorstoss nicht gehen. «Ich plane kein 5G-Moratorium, sondern eine Interpellation, in der ich Auskunft über Fragen zur Aufrüstung des Mobilfunknetzes mit den Sendeanlagen verlange.» Eine dieser Fragen lautet aber: «Könnte sich der Regierungsrat ein Moratorium beim Bau von 5G-Antennen im Aargau vorstellen?».  

Wie viele Standorte im Aargau?

Leitch fragt, ob der Regierungsrat wisse, wie viele 5G-Anlagen im Kanton aufgestellt oder geplant sind. Der SP-Politiker will auch wissen, bei wie vielen Standorten ein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchgeführt worden sei. «Der Gemeinderat von Zeiningen wusste zum Beispiel nichts, dass das Dorf einer der 52 Vorreiter-Orte für die neue Technologie war, da es gar kein Baugesuch gegeben hat», gibt er zu bedenken.  

Leitch vermutet, dies sei so, weil Mobilfunkanbieter beim Bagatellverfahren ihre Anpassungen im Sinn einer Selbstdeklaration melden können. «Auf diese Weise den drohenden Protest der Bevölkerung zu umgehen, weil die für die Baubewilligung zuständigen Gemeinderäte nicht einmal etwas wissen, finde ich gelinde gesagt eine Frechheit», sagt der SP-Politiker.

Als sogenannte Bagatelländerung gilt eine Aufrüstung laut Leitch nur, wenn der bishe-rige Strahlungswert bei einer Antenne nicht ansteigt. Er meldet Zweifel an, ob mit der Aufrüstung bestehender Antennen auf 5G die Strahlenschutzvorschriften eingehalten werden.

Grundsätzlich fragt der SP-Politiker, ob die Gesundheit der Bevölkerung jederzeit gewährleistet sei. Leitch fragt, ob der Regierungsrat bereit sei, «mit den Telekomanbietern zu verhandeln und diese zu motivieren, die bestehenden Baugesuche für Antennen momentan zu sistieren, bis der Nachweis über die Unschädlichkeit erbracht ist».

CVP-Politiker will ein Moratorium

Nicht nur Fragen, sondern ganz konkrete Forderungen enthält ein zweiter Vorstoss zu 5G, bei dem CVP-Grossrat Harry Lütolf die Federführung hat. Noch ist unklar, ob er als dringliche Motion eingereicht wird und am Dienstag schon behandelt werden könnte. Denkbar wäre laut Lütolf auch eine normale Motion oder ein unverbindlicheres Postulat. Sicher sei, dass die ganze CVP-Fraktion oder zumindest eine grössere Anzahl seiner Parteikollegen den Vorstoss unterstützen.

Dieser enthält die brisante Forderung, der Einsatz hochfrequenter Strahlung im Zusammenhang mit der Mobilfunktechnologie 5G müsse «baldmöglichst und so lange unterbunden werden, bis Forschungsergebnisse vorliegen, aus denen hervorgeht, dass die Strahlung keine körperlichen Schädigungen verursachen kann».

Lütolf erklärt auf Nachfrage, er verlange kein Verbot oder Moratorium für den Bau von 5G-Antennen. Solange diese nur in den bisherigen Frequenzbändern sendeten, habe er auch nichts gegen den Betrieb. Der CVP-Grossrat hält aber fest, die Risiken seien nicht genügend erforscht.

Forderung rechtlich nicht haltbar?

Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, hält das Bundesamt für Kommunikation solche Moratorien für rechtswidrig. Das Umweltschutzgesetz und die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung würden dem Bund eine umfassende Rechtssetzungskompetenz zugestehen, somit bleibe kein Raum für kantonale oder kommunale Bestimmungen. Dennoch hält Lütolf an seinem Vorstoss fest: «Dasselbe Bundesamt räumt ein, dass es Unklarheiten und Forschungsbedarf bei den Folgen der hochfrequenten Strahlung gebe.»

Zudem sei die Weltgesundheitsorganisation WHO daran, die Risiken der Handystrahlung abzuklären, der Bericht liege aber noch nicht vor. Dabei gehe es nicht um Lappalien, sondern um einen Einfluss auf die Durchblutung des Gehirns und die Hirnströme, die Beeinträchtigung der Spermienqualität, eine Destabilisierung der Erbinformation oder die Frage, ob die Strahlung krebserregend sei.

Koordination gegen Antennenwald

Lütolf erhebt in seinem Vorstoss noch eine andere Forderung. Er verlangt vom Regierungsrat, «gegen den unkoordinierten Aufbau der Mobilfunktechnologie 5G vorzugehen, damit das Land nicht mit Antennenwäldern überwuchert und die Bevölkerung so wenig wie möglich der zusätzlichen Strahlung ausgesetzt wird».

Die Behörden hätten die rechtliche Handhabe, die Netzbetreiber zu verpflichten, anderen Anbietern die Mitbenutzung ihrer Anlagen zu gestatten. Das Bundesamt für Kommunikation könne sogar verfügen, dass Antennen gemeinsam installiert und genutzt werden müssten. «Ich finde es stossend, wenn jeder Anbieter selber zahlreiche Antennen erstellt», sagt Lütolf. Effizienter, effektiver, günstiger und gesundheitlich weniger belastend wäre es, für 5G generell nur ein Mobilfunknetz aufzubauen, das von allen Konzessionären genutzt würde.