
In der SVP braut sich ein Aufstand gegen die Parteiführung zusammen

Der Satz verbreitet sich in der SVP wie ein Lauffeuer. «Ich habe mich nicht mein Leben lang für die Partei engagiert, um am Schluss dem Absturz beizuwohnen», sagte dieser Tage Ueli Maurer, Bundespräsident und Finanzminister, einst langjähriger SVP-Präsident. Er spielte damit auf die jüngsten Verluste der SVP an. Vor allem, aber nicht nur bei den Wahlen im Kanton Zürich.
Maurer, 68, wird zur Symbolfigur, wenn nicht zum Anführer eines parteiinternen Aufstands. Es sind Parteigänger von altem Schrot und Korn, vielfach Gewerbler, Bauern, Kleinunternehmer. Die meisten von ihnen haben etwas gemeinsam. Sie haben die klassische Ochsentour absolviert, sich von unten hinauf gedient, vom Gemeinderat zum Kantonsrat zum Nationalrat. Oder, wie Maurer, der vor über vierzig Jahren als Gemeinderat von Hinwil ZH startete, sogar bis zum Bundesrat.
Sie kamen nach oben, weil der alternde Blocher das so entschied. «Das Problem bei diesen Quereinsteigern ist, dass ihnen die Bodenständigkeit fehlt, die Nähe zu unserer Basis», sagt ein erfahrener SVP-Nationalrat, der die Ochsentour absolvierte und stolz darauf ist.
Aufstand gegen Aeschi
Laut SVP-Bundesparlamentariern öffnen sich weitere Gräben in der Partei: «Zwischen Ideologen und Praktikern, zwischen Stadt und Land», sagt ein Bauer. Dass die «Millionarios» nicht merkten, wie die Landwirte in der eigenen Fraktion unter den Klimakapriolen leiden würden, hat einige schockiert.
Maurers Satz ist vielen darum Aufforderung zum Widerstand. Als einen der Ersten könnte es den heutigen Fraktionschef und Blocher-Zögling Thomas Aeschi treffen. Alle wissen, dass gerade Maurer nicht viel vom Zuger hält. Aeschi gilt als sehr einsatzfreudig, aber viele in der Fraktion mögen «seine ewigen Nein-Anträge» nicht, wie es einer sagt. Dem Harvard-Absolventen wird fehlende Durchschlagskraft vorgeworfen und mangelnde Empathie. Man sehnt sich den früheren Fraktionschef Adrian Amstutz zurück, ein Mann mit Wasserverdrängung, hart, aber glaubwürdig. Als Mensch geschätzt.
Bereits werden Nationalräte wie Gregor Rutz (ZH) oder Werner Salzmann (BE) als Fraktionschefs gehandelt. Rutz war einst erfolgreicher SVP-Generalsekretär. Salzmann wollte bereits einmal Fraktionschef werden: Ende 2017, als Aeschi gewählt wurde.
Geht es nach Schwergewichten in der Fraktion, wurden zuletzt viele Fehler begangen. Als es Ende 2015 um die Nachfolge von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ging, wollten Blocher und Entourage ihren Zögling Aeschi durchdrücken. Schwergewichte wie Heinz Brand (GR) oder Thomas Hurter (SH) wurden ausgebootet. Die Rechnung ging nicht auf, gewählt wurde der brave Welsche Guy Parmelin.
Als Toni Brunner Anfang 2016 seinen Rücktritt als Präsident gab, wurde Albert Rösti von der Parteileitung im gleichen Atemzug als Nachfolger vorgeschlagen. «So wurde von Anfang an verhindert, dass sich ein Gegenkandidat aufstellen liess», sagt ein Kritiker.
Es gibt derzeit nicht nur Diskussionen um die Zusammensetzung der Fraktionsspitze, sondern auch der Parteileitung: Albert Rösti ist zwar Präsident, aber das Sagen hat er nicht. Es heisst, dass sich die SVP-Führung derzeit selbst Gedanken macht, wie sie sich erneuern könnte. Am Samstag soll es dazu Diskussionen gegeben haben. «Es fand eine Sitzung zur Vorbereitung der Wahlwerbung in Zürich statt – zu kommunizieren gibt es dazu derzeit nichts», sagt SVP-Sprecherin Andrea Sommer auf Anfrage. Teilgenommen hätten Präsident Rösti, Wahlkampfleiter Amstutz sowie Generalsekretär Emanuel Waeber und seine Stellvertreterin Silvia Bär.
Pendel schlägt zurück
Etwa 20 Jahre ist es her, dass Blocher und seine Leute von Zürich aus die SVP Schweiz auf ihren Kurs zwangen. «Diese alten Notablen» müssten aus dem Parteivorstand entfernt werden, sagte der damalige Nationalrat Christoph Mörgeli im Januar 2000. Gemeint waren Leute im damaligen SVP-Zentralvorstand, die sich als letzte widersetzten. Jetzt scheint das Pendel zurückzuschlagen: Mit dem Zürcher Maurer an der Spitze – von dort aus also, wo alles begann.