Sandra Bullock gab dem Cinema 8 in Schöftland den Kick-off

Ein Sommerabend in Schöftland. Im Hof vor dem Cinema 8 wird Clint Eastwood in einer seiner Italowestern-Glanzrollen auf die Freiluft-Leinwand projiziert. Der junge Clint, wortkarg und Zigarre im Mundwinkel, reitet durch seine Schlussszene, begleitet von Mundharmonika-Klängen, als ein Zuschauer bereits die Treppe rauf zum Projektor-Stübli rennt. «Bitte», sagt er keuchend dem dort sitzenden Kinobetreiber Rolf Häfeli, «der Film ist so toll, lasst mich ihn anfassen!»

An jenem Abend konnte Häfeli (43) dem Westernfan den Gefallen noch erfüllen, das Celluloid zu berühren. Wenig später, im Jahr 2009, rüstete er aufs digitale Kino um. Seither werden die Filme nicht mehr in Rollen angeliefert, sondern elektronisch an den Cinema-8-Datenspeicher geschickt. Seither ist das typische Projektor-Surren verstummt. Etwas, das er, der einst in der Freizeit mit einer Super-8-Kamera zu filmen begonnen hatte, heute vermisst. «Aber man muss sich immer anpassen, sonst bleiben die Kunden aus», sagt er. Die 7D-i-Cinema-Kabine im Foyer, deren acht Plätze sich drehen und neigen, ist einer der jüngsten Beweise für dieses Motto.

Kein Platz für Nostalgie

Unternehmer Häfeli hat ein Gespür dafür, wann man alte Kapitel abschliessen und neue beginnen muss. Natürliche Neugierde nennt er das. Seiner Neugierde folgt er selbst dann, wenn er wie damals bei der Umstellung aufs digitale Kino Wermutstropfen in den Augen hat. Ohne diese Gabe hätte sein Kino nicht lange überlebt. «Einst dachte ich, ich würde eher aus dem Kinobusiness aussteigen, als den Celluloidfilm aus dem Cinema 8 zu verbannen», sagt er, als er kürzlich an einem Vormittag in seiner noch leeren Kino-Bar sitzt.

Doch er wusste den Nostalgiker in sich zu besiegen – mit ein Grund, dem er sein heuriges 20-jähriges Bestehen verdankt. Am kommenden Wochenende bietet er dem Publikum zum Jubiläum ein Spezialprogramm mit Filmen und Bühnenshows. 1999 eröffnete Häfeli mit einem einzigen Kinosaal und einer Bar im Schöftler Industriequartier. Danach vergrösserte er das Cinema 8 schrittweise, setzte auf neue Technik und passte sein Gastro- und Unterhaltungsangebot dem veränderten Ausgangsverhalten an. 2014 investierte er über 16 Millionen Franken in vier neue Säle, Hotelzimmer, eine Brauerei, Bowling und weitere Erlebnisangebote. 1200 Sitzplätze hat das «Miniplex-Kino» heute, wie Häfeli es mit seinen fünf Sälen nennen darf. Ein breites Angebot, um nicht mehr alleine von der Kinokasse abhängig zu sein – was ihm als Kinobetreiber in der Ära von Streaming und Netflix das Überleben sicherte. «Hätte ich die Vergrösserung nicht gemacht, wäre das Kino eingegangen», sagt er.

Die Aarauer Kinos machen derzeit wegen des Besucherrückgangs eine harte Zeit durch. Er kenne die Aarauer Kinos sehr gut, sagt Häfeli. Als filmbegeisterter Jugendlicher hat er dort Popcorn verkauft. Dass sein Kino nicht zwischen Altstadthäusern eingeklemmt und deshalb ausbaubar ist, erwies sich als grosses Glück. Häfeli bleibt trotz schwierigem Umfeld Optimist: «In den letzten 60 Jahren wurde das Kino immer wieder für tot erklärt. Und jedes Mal ist es wieder auferstanden.»

Das Sterben eines Kinos hatte er als Kind bereits miterlebt. Schöftlands letztes Landkino, das Odeon beim Nordweg, hatte seine Grosstante bis 1984 geführt. Sie liess den Buben gratis in den Saal huschen. «Ich erinnere mich genau an meinen allerletzten Film in Odeon», sagt Häfeli. «Asterix der Gallier. Danach war ich sehr traurig.»

Bar war freundschaftlicher Rat

Als 23-Jähriger gründete Häfeli, inzwischen gelehrter Offset-Drucker, ein Kino. Auf einem Stück Industrieland, das seinem Vater Werner Häfeli gehörte. Obwohl ihn die Familiengeschichte eines Besseren hätte belehren sollen. «Aus der Freude zum Film.» Cinema 8 nannte er es, um seine Super 8 zu ehren. Mit seinem Kino-Bar-Konzept war er Pionier, denn Ende des 20. Jahrhunderts war die Multiplex-Idee erst gerade dabei, von den USA her den Atlantik zu überqueren. Die Lorbeeren dafür will er aber nicht alleine tragen: «Einer meiner Freunde arbeitet in einer Bar und riet mir, das Kino doch mit einer Bar zu verbinden.» Die im Industriegebiet vorhandenen 450 Parkplätze trugen das ihre dazu bei.

Auf dem unterstützenden Fundament von Vater Werner musste Rolf Häfeli mit eigenen Mitteln aufbauen. Der Papa liess ihn eine Aktiengesellschaft gründen und der Junior ging mit ein paar Verbündeten auf Aktionärssuche. Und fand auf Anhieb 280.

Nicht immer sei es aufwärtsgegangen, vor allem der Anfang sei zäh gewesen. «Um das Geschäft anzukurbeln, brauchten wir Blockbuster. Doch es ist nicht einfach, grosse Filmverleiher von einem neuen Kino zu überzeugen.» Dann kam sie: Sandra Bullock, die in «Miss Undercover» über ihre Schönheitswettbewerb-Roben stolperte. Dank eines toleranten Verleihers konnte Häfeli den Film zeigen, der auch bei den Schöftlern einschlug wie eine Bombe. «Danach wurde es immer einfacher, an Kopien von Kassenschlagern heranzukommen», so Häfeli.

Ein guter Film sei nach wie vor der Treiber, der ihm Kunden bringe. «Am besten ziehen Filme, bei denen man abschalten kann und die, die zu einer Film-Serie gehören.» Dieses Jahr seien das wohl «Star Wars Episode IX», «Toy Story 4» und «Die Eiskönigin 2».