
Borna erhält vom Kanton endlich grünes Licht für Neubau
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Genossenschafter zählt die Borna aktuell. Gegründet wurde sie 1931 als «Blindenheim in Boningen». Hier war auch anfänglich der Sitz. 1932 entsteht am Einfamilienhaus des Gründers Walter Stutz ein Anbau mit mehreren Zimmern und Werkstätten für 15 Blinde. Die Institution wächst und wird mit der Korbflechterei und einem Internat für 22 Blinde erweitert. Zudem kommen Lagerräumlichkeiten in Aarburg dazu. 1973 fällt der Entscheid, alles in Rothrist in einem Neubau zusammenzufügen, der 1978 bezogen wird. Die Namensänderung zu Borna, Arbeits- und Wohngemeinschaft Rothrist erfolgt im Jahr 2002.
Die Sonne kämpft sich an diesem Vormittag immer wieder durch die Wolken. Mit strahlenden Gesichtern stehen die Verantwortlichen im Sitzungszimmer der Rothrister Arbeits- und Wohngemeinschaft Borna. «Endlich haben wir vom Kanton Aargau grünes Licht erhalten», sagt Verwaltungsratspräsident Felix Schönle und fährt fort: «Ein Neubau ist dringend notwendig.» Kopfnickend stimmen Geschäftsleiterin Christine Lerch und Verwaltungsratsmitglied Ueli Bhend ihm zu.
In der vor 41 Jahren erstellten Arbeits- und Wohngemeinschaft fehlt Raum – nicht nur, um Ware zu lagern, sondern vor allem zum Leben und Arbeiten. So ist ein Neubau schon länger geplant. Das Projekt lag aber bislang auf Eis, weil das kantonale Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) auf allen Bauten im Behindertenbereich ein Moratorium von zwei Jahren verhängt hatte. Kurz vor Ende des letzten Jahres genehmigte der Kanton nun die ersten beiden Phasen der Eingabe für den Borna-Neubau an der Gländstrasse. Bis Anfang dieser Woche lief das Präqualifikationsverfahren. Über 100 Bewerbungen von Generalplanerteams gingen ein. «Daraus gilt es sechs auszuwählen, die am Projektwettbewerb für den Neubau teilnehmen dürfen», erklärt Ueli Bhend, Verwaltungsrat und als Architekt mit eigenem Büro in Oftringen ein Fachmann.
Neubau statt Sanierung
Von einer Totalsanierung sieht der Verwaltungsrat nach einer erstellten Konzeptstudie ab. «Die Baustruktur müsste bis auf den Rohbau zurückgebaut werden, aber selbst dann bleibt der nicht optimale Grundriss bestehen», sagt Felix Schönle. «An die Räume und vor allem an die betrieblichen Abläufe werden aber ganz neue Anforderungen gestellt.» Zudem löse ein Umbau kostenintensive Provisorien und eine belastende temporäre Verlagerung der Wohn- und Arbeitsbereiche aus.
«Jetzt geht es Schritt für Schritt vorwärts», betont Schönle sichtlich erfreut. Geplant ist, dass die Gebäudekomplexe neuen weichen. Damit Leben und Arbeiten weiterhin unter dem Borna-Dach funktionieren, findet die Umsetzung in zwei Etappen statt. Zuerst ist der Neubau mit dem Wohnbereich vorgesehen. Nach dem Umzug der Betreuten aus dem alten Gebäude wird dieses abgerissen. «So können wir Mietkosten für Wohnungen sparen und dieses Geld vollumfänglich in den Neubau investieren.» Zum Schluss erfolgt der Bau der Werkstätten. Es könne aber auch sein, dass zuerst das Werkstattgebäude und dann der Wohnbereich errichtet werden. «Das hängt von den Ideen der Architekten ab», gibt Schönle zu bedenken. Die Kosten schätzt er auf 40 bis 45 Millionen Franken.
Mehr externe Wohnplätze
Der VR-Präsident blättert in einer Dokumentation und zeigt auf ein älteres Luftbild. Beim bestehenden L-förmigen Komplex mit den drei aneinandergeschmiegten Liegenschaften ragt das fünfgeschossige Wohngebäude heraus. Im Erdgeschoss mit dem Haupteingang gehen die Bewohner und die Besucher ein und aus. Hier befinden sich die Administration, multifunktionale Räume für Therapien und Sitzungen, der grosse Esssaal sowie im direkt angrenzenden Zwischenbau Cafeteria und Küche. In den drei Obergeschossen des Hauptgebäudes sind 67 Bewohnerzimmer mit nicht rollstuhlgängigen Nasszellen. Im fünften Geschoss gibt es Personalwohnungen. Eine davon bewohnen drei Betreute.
«Neu sind mehr begleitete und betreute Wohnplätze ausserhalb des Stammhauses an der Gländstrasse vorgesehen», sagt Felix Schönle und verweist auf die neue Strategie der Borna. Die Verantwortlichen mussten auf Drängen des Kantons die Institution und deren Angebote durchleuchten und ihre Ausrichtung überarbeiten. «Die neue Strategie, die klar auf Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung sowie einer Sinnesbeeinträchtigung fokussiert ist, kam beim Kanton positiv an», sagt Geschäftsführerin Christine Lerch. Seit fünf Jahren gibt es Aussenwohngruppen in der Rothrister Breitenpark-Überbauung. Elf Bewohner leben dort in drei Wohnungen. «Die neuen Formen ermöglichen Betreuten, in grösserer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu leben», unterstreicht Lerch. Die Gesamtzahl der 78 Wohnplätze soll bis im Jahr 2022 auf 88 aufgestockt werden. Dafür wird der Anteil der internen Wohnplätze von 67 auf 48 Plätze reduziert.
Produktionsabläufe optimieren
Die Geschäftsführerin betont, welche wichtige Rolle die Beschäftigung in den geschützten Werkstätten für die Mitarbeitenden, aber auch die Institution spielt: «Eine grosse Anzahl Unternehmen und Verwaltungen zählt zu unseren Auftraggebern.» Christine Lerch blickt zurück und erzählt, dass die geschützte Werkstatt anfänglich als Kleinhandelsbetrieb in den Bereichen Korbflechterei, Bürstenmacherei, Sesselflechterei sowie mit Lagerräumen für Handelsware tätig war. 1987 wurde die Werkstatt angebaut und neue Bereiche wie Montage und Schreinerei kamen dazu. «Die konventionelle Handwerksarbeit ist nur noch ein kleiner, abnehmender Teil», sagt sie und fährt fort: «Die Lohnaufträge machen heute 80 Prozent unserer Einnahmen aus.» Bei einem Rundgang zeigt die Geschäftsführerin, dass sinnvolle Arbeits- und Produktionsabläufe in den heutigen Räumlichkeiten unmöglich sind. So befindet sich beispielsweise die Spedition im Keller. «Neben der Optimierung der Abläufe ermöglicht uns eine neue Werkstatt vor allem auch eine bessere Betreuung der Klienten», sagt Christine Lerch.
In vier Jahren zum neuen Komplex
Bis die Bagger auffahren, gibt es noch einiges zu tun. «Wenn alles nach Plan läuft, ist es unser Ziel, den Neubau im Jahr 2023 einzuweihen», so Felix Schönle. Abhängig seien alle weiteren Phasen wie die Bewilligung des Projekts und des Baugesuchs durch den Kanton. «Wir sind zuversichtlich», sagt VR-Präsident Schönle beim Abschied. Draussen hat mittlerweile der kühle Wind den grau verhangenen Himmel über der Borna aufgeklart und die Sonne scheint.