
Im Tresor der Kantonspolizei fehlen 87 Gramm Marihuana – doch wer hat es geklaut?
Markus (Name geändert) kam allein zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht Aarau. Der 29-jährige frühere Kantonspolizist verzichtete auf einen Rechtsanwalt. Und auch zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft – mehrfacher Bruch amtlicher Beschlagnahme und mehrfaches unbefugtes Erlangen von Betäubungsmitteln – sagte Markus bei der Befragung nicht viel.
In der Anklageschrift sind die fehlenden Mengen fein säuberlich nach Nummer und Datum der Sicherstellung aufgelistet. Beschrieben wird darin auch der Umgang der Kantonspolizei mit beschlagnahmten Drogen.
Demnach werden die «in der Fronttätigkeit sichergestellten illegalen Betäubungsmittel nach Wägung und Beschriftung im Betäubungsmitteltresor» deponiert. Der Schlüssel für den Tresor hängt im offen zugänglichen Chefbüro im Wandschrank, wo ihn die Mitarbeiter holen.
«Zur Unzeit» in der Dienststelle
Der Zutritt zur sogenannten Dienststelle Fokus, wo sich der Betäubungsmitteltresor befindet, funktioniert mit einem elektronischen Schlüsselsystem. Eine Auswertung zeigte, dass Markus die Dienststelle zwischen Oktober 2017 und März 2018 «verschiedene Male zur Unzeit für wenige Minuten betreten hatte, dies vornehmlich übers Wochenende, an Ruhetagen oder nachts, wenn niemand Dienst hatte.»
Bei diesen kurzen Besuchen habe der Beschuldigte kleinere Mengen des beschlagnahmten Marihuana aus einzelnen Säcklein entnommen, die im Tresor lagen – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Dafür wurde Markus, der wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand vorbestraft ist, im Dezember 2018 per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 3600 Franken und einer Busse von 800 Franken verurteilt. Der ehemalige Polizist erhob Einspruch, deswegen musste Einzelrichterin Bettina Keller über den Fall entscheiden.
Markus bestritt vor Gericht nicht, dass er an mehreren Tagen ausserhalb seiner Arbeitszeit in der Polizeidienststelle gewesen sei. Marihuana habe er aber nicht aus dem Tresor entwendet, «damit habe ich nichts zu tun», sagte der Angeklagte.
In ihrem Tresor habe man nicht nur sichergestellte Drogen oder beschlagnahmtes Geld gelagert, er und andere Polizisten hätten auch ihre Waffengurte dort deponiert. Er habe seine Waffe jeweils auf der Dienststelle eingeschlossen und später geholt, um sie zu Hause zu reinigen – so erklärte Markus, warum er zwölf Mal ausserhalb seiner Arbeitszeit dort war.
Weiter hielt er fest, ein Haartest habe bei ihm ergeben, dass er kein Marihuana konsumiere. «Ich habe das Gefühl, man hat einen Sündenbock gesucht und fast willkürlich mich ausgewählt», sagte der Angeklagte, der inzwischen nicht mehr bei der Kantonspolizei tätig ist.
Nicht genug für Schuldspruch
Einzelrichterin Keller brauchte nicht lange, um zu einem Urteil zu kommen. Sie sprach Markus von allen Vorwürfen frei. Es sei zwar komisch, dass der Beschuldigte nachts, am Wochenende oder an freien Tagen in der Dienststelle gewesen sei, erklärte sie. Zudem habe sein Vorgesetzter ausgesagt, es sei unüblich, dass Polizisten ihre Waffen im Tresor deponierten.
Das reiche aber nicht für einen Schuldspruch, zumal auch andere Kollegen ausserhalb ihrer Dienstzeiten dort gewesen seien. Überdies sei nicht klar, welche Menge Marihuana an welchem Tag verschwunden sei, die Vorwürfe gegen den Beschuldigten seien nicht konkret genug.