Deutschland zieht die Schraube an – für Ungeimpfte kann es bald teuer werden

Deutschland steht im Corona-Vergleich gut da. Eine Inzidenz von knapp über 20, fast 55 Prozent der Erwachsenen sind doppelt geimpft. Zum Vergleich: Die Schweiz hat eine Inzidenz von über 80 und eine tiefere Impfquote.

Trotzdem geistert sie im Berliner Regierungsviertel umher: Die Angst vor einer vierten Coronawelle im Herbst und Winter, überlastete Krankenhäuser, volle Intensivstationen. Die Delta-Variante sorgt für ein steigendes Infektionsgeschehen. Wieder mehr kommen wegen Corona ins Spital. Aber: Alles noch auf niedrigem Level. Aber wie siehts das aus in zwei, drei, vier Monaten?

Nach längerer Pause steht heute ein Corona-Video-Gipfel an – zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den 16 Regierungschefs der Bundesländer. Ringen um den Corona-Kurs mitten in einer Phase, in der der Bundestagswahlkampf allmählich Fahrt aufnimmt. Es könnte ein langer Nachmittag werden.

Brisant und höchst umstritten ist vor allem die Frage, welche Rechte die Umgeimpften haben sollen – denn das Versprechen der Regierung, allen Erwachsenen ein Impfangebot bis Spätsommer gemacht zu haben, ist eingelöst. Impfdosen sind ausreichend für alle Impfwilligen vorhanden. Trotzdem zögern viele Bürgerinnen und Bürger, sich den Piks verpassen zu lassen. Das Impftempo ist abgeflaut, viele wollen die Impfung nicht – weil sie Impfgegner oder Impfmuffel sind oder glauben, Corona sei ohnehin bald Geschichte.

Ungeimpfte: Teure Tests für Kino-Besuch

Die Bundesregierung will die Impfbereitschaft mit Appellen wieder erhöhen – aber auch mit Druck. Die seit März angebotenen kostenlosen Schnelltests, die es vor allem in Städten fast an jeder Ecke gibt und die ihr Angebot an die Ungeimpften richten, sollen im Oktober wegfallen. Ab dann soll nicht mehr die Allgemeinheit – also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – für die Kosten aufkommen, sondern sollen die Ungeimpften die Schnell- und PCR-Tests aus der eigenen Tasche bezahlen.

Die Tests dürften also für jene Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, fortan wieder zur Pflicht werden, um quasi am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Zugang zu Restaurants, Kinos, Krankenhäusern, Gotteshäusern oder zum Sport in Innenräumen sollen nur Getestete, Genesene oder Geimpfte bekommen.

Für die Ungeimpften ergeben sich durch die neuen Regeln Nachteile: Sie müssen eine Teststation aufsuchen und dort zwischen 25 bis 100 Euro hinblättern, um mit einem aktuellen negativen Test die gleichen Rechte wahrzunehmen wie Geimpfte und Genesene. Die Absicht dahinter ist klar: Die Impfskeptiker sollen endlich sich selbst und die Gesellschaft mit der Corona-Impfung schützen. Noch immer können sich über 12 Millionen Deutsche gar nicht impfen lassen: Minderjährige und beispielsweise Schwangere. Für diese Gruppe sollen die Tests weiterhin gratis bleiben. Sie müssen die Schwangerschaft nachweisen oder mit ärztlichem Attest eine Impfunverträglichkeit beweisen. Dann gibts die Tests weiterhin kostenlos.

Immerhin scheint der brisante Vorschlag von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) inzwischen vom Tisch zu sein: Dieser schlug in einem Strategiepapier noch vorige Woche vor, bei hohem Infektionsgeschehen und ausgelasteten Krankenhäusern im Herbst und Winter die Ungeimpften quasi teilweise vom gesellschaftlichen Leben auszuschliessen. Menschen, die sich impfen lassen könnten, dies aber nicht tun, hätten demnach nicht einmal mehr mit einem negativen Corona-Test ins Restaurant, Kino oder zum Fussballspiel ins Stadion kommen dürfen und hätten zudem im Privaten Kontaktbeschränkungen zu befürchten gehabt. Im Juli sagte Spahn:

«Wer sich heute nicht impfen lässt, darf sich nicht beschweren, wenn er morgen nicht zur Party eingeladen wird.»

Die Kritik an Spahns Ideen war derart gross und Parteien übergreifend, dass die Kanzlerin scheinbar ihr Veto eingelegt hat.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki bei einem Besuch in der Innerschweiz.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki bei einem Besuch in der Innerschweiz.

Bild: Nadia Schärli/05. November 2018

Doch auch die etwas abgeschwächte, aktuelle Beschlussfassung stösst auf Widerstand. Dass der Staat die kostenlosen Tests nicht mehr bereitstellen wolle, sei ein grosser Fehler, beklagt FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. «Wird das kostenpflichtig, bekommen wir ein Riesenproblem, weil wir dann deutlich weniger Tests bekommen», moniert Kubicki im «Deutschlandfunk». Viele würden sich dann nicht testen lassen und beispielsweise eine Quarantäne nicht antreten, da sie von ihrer Infektion nichts wüssten. Das gefährde jene, die sich nicht impfen lassen können. Kubicki spricht von einem «Risiko für die Allgemeinheit». Ungeimpften solle weiterhin durch kostenlose Tests ermöglicht werden, «sich am öffentlichen Leben zu beteiligen».