Keine Sozialromantik im «Little Istanbul» an der Aarauerstrasse

«Little Istanbul»: Die Reportage im ZT/LN vom Dienstag über die Buchser Aarauerstrasse sorgte für Gesprächsstoff. Die einen finden, die Situation sei doch wirklich nicht so schlimm. Andere wiederum machen sich Sorgen wegen der zunehmenden Gettoisierung. Zu Letzteren gehören die Brüder Philipp (62) und Raphael Schmid (59). Sie wohnen nicht in Buchs, sind aber mit ihrer Firma an der Aarauerstrasse 25 ansässig, haben dort ihre Büros. Begonnen haben Schmids mit einem Radio- und TV-Handel. «Wir haben aber von Anfang an jeden Franken in Immobilien investiert», sagt Raphael Schmid. Seit 1996 leben sie nur noch davon. Die Brüder sind an der Aarauerstrasse grosse Liegenschaftsbesitzer. Ihnen gehören die drei Gebäude Bäckerei Kaufmann (ehemals Schlapbach), Bäckerei-Kälte-AG (ehemals Kino Rio) und das Restaurant Frohsinn. Insgesamt 3700 Quadratmeter.

«Schmuddelig und armselig»

Die Schmids beobachten die Entwicklung im Quartier, das die Buchser als «Little Istanbul» bezeichnen, mit Sorge. «Richtig sozialromantisch wurde der Leserschaft das Multikulti-Leben von Buchs präsentiert», schrieb Philipp Schmid als Reaktion auf die Reportage an diese Zeitung. Und weiter: «Im Gegensatz zum Aeschbach-Quartier, welches sich von der Gais her Richtung Buchs entwickelt, präsentiert sich die Istanbul-Meile schmuddelig und armselig. Die Liegenschaften sind heruntergekommen. Jede einzelne ist älter als 100 Jahre. Renovationen werden im Pinselbereich getätigt.» Die heutige Bauordnung erlaube aber kaum etwas anderes. «Solange die Gemeinde Buchs ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, bleibt Little Istanbul, wie es ist.»

Im Gespräch mit dieser Zeitung verdeutlicht Raphael Schmid: «Die Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Buchs ist nicht mehr zeitgemäss und muss dringend erneuert werden. Für die Liegenschaften an der Aarauerstrasse gilt zum Beispiel eine maximale Ausnützungsziffer von 0,8. Wir haben prüfen lassen, was wir auf unserem Land bauen könnten. Es ist quasi unmöglich, da etwas Gescheites zu realisieren – kein vernünftiger Investor wird das tun.» In der Konsequenz würden die Liegenschaften von Personen gekauft, die sie zunehmend verlottern lassen und die Ladenlokale billig vermieten.

Die Brüder Schmid plädieren dafür, dass die Ausnützungsziffer im Zentrum der Gemeinde gleich ganz abgeschafft wird und stattdessen nur Vorschriften zum Gebäudevolumen gemacht werden. Sie bitten die Gemeinde Buchs, endlich mit der BNO-Revision vorwärtszumachen. Raphael Schmid betont: «Es braucht hier wieder eine gute soziale und demografische Durchmischung. Die negative Entwicklung der Aarauerstrasse, die zunehmend zum Getto wird und aus der sich die Schweizer nach und nach zurückziehen, ist nicht in erster Linie der Zuwanderung geschuldet. Sondern der dorfpolitischen Entwicklung, die der Gesetzgeber verursacht hat.» Doch Raphael Schmid will auch betonen: «Der Prozess für eine neue BNO ist angelaufen und wir sind zuversichtlich, dass die Gemeinde eine gute Lösung finden wird. Etwa wie in Aarau, wo dank der revidierten BNO nun der Aarauerhof nicht saniert, sondern neu und deutlich höher gebaut wird.»

Was die Gemeinde vorhat

Tatsächlich ist in den Legislaturzielen 2018 bis 2021 des Gemeinderats die Gesamtrevision der BNO vorgesehen. Und explizit auch die «Umsetzung des Betriebs- und Gestaltungskonzepts Mitteldorf- und Aarauerstrasse in Zusammenarbeit mit dem Kanton». Im Raumentwicklungskonzept, Stand 2017, ist festgehalten: Die Aarauerstrasse sei die «wichtigste innere Zugangs- und Zufahrtsachse der Gemeinde». Der Strassenraum «wirkt heute wenig gepflegt und ist beeinträchtigt durch den Durchgangsverkehr». An beiden Strassenseiten bestünden nicht nur grosse Verdichtungspotenziale. «Hier sind auch erhebliche Defizite bezüglich der Nutzung und Gestaltung von Bauten und Aussenräumen feststellbar.»

Die Strasse soll ein «grundsätzlich neues Gesicht erhalten» und «als belebter Zentrumsbereich mit durchgehend öffentlichkeitsbezogenen Erdgeschossen baulich verdichtet werden». Parkiert werden soll künftig vor allem in Tiefgaragen und nicht mehr kreuz und quer irgendwo vor den Häusern.