Agatha Christies «Mausefalle» in eine aufgedrehte Komödie mit Schauereffekt verwandelt

«Ist doch ganz gleich, wer sie sind, solange sie uns nur 10 Pfund die Woche bezahlen.» Mollie Ralston (Miriam Wagner spielt sie überfordert und ernst) ist mit ihrem soeben als Landpension eröffneten alten Kasten Monkswell Manor genug gefordert, um sich ernsthaft um die moralische Gesinnung ihrer Gäste zu sorgen. Sie und ihr Mann Giles (Jonas Aeschlimann, bieder-bemüht) hören soeben im Radio, dass in Paddington eine gewisse Maureen Lyon erwürgt worden ist. Nicht ahnend, dass dieser Mörder drauf und dran ist, ihr Anwesen aufzusuchen, empfangen sie Gast für Gast.

Christopher Wren, der sich als Architekt ausgibt (Manuel Herwig, herrlich quirlig und aufdringlich jovial), wickelt die Dame des Hauses alsbald mit seinen Kochkünsten und seiner exaltierten Unbeschwertheit um den Finger. Zum Leidwesen deren Mannes. Mrs. Boyle (Katharina von Bock, wunderbar snobistisch-verhärmt) hat an diesem Haus dauernd zu mäkeln, fühlt sich nicht standesgemäss umsorgt. Der gesetzte Major Metcalf (Stefan Lahr spielt ihn unaufdringlich harmlos) will ihrer Misanthropie nicht mithuldigen. Auch Miss Casewell (Julka Duda, verletzlich, dies aber frech überspielend) – ihre Tasche ist schwer wie Blei, ihr Händedruck stählern – hat es nicht mit der griesgrämigen Schachtel und verscheucht sie mit lautem Tanzsound.

Kurz bevor das Haus völlig unzugänglich wird, schneit der ältere, aber munter tänzelnde Mr. Paravicini (Andreas Storm, distinguiert geziert und stets amüsiert) herein. Sie alle sind verdächtig. Alle haben sie etwas zu verbergen. Davon ist der zu guter Letzt auf Skiern herbeigeeilte Sergeant Trotter (Michael von Burg) überzeugt. Gekommen ist er, weil der Mörder am Tatort einen Zettel mit der Adresse von Monksville Manor hat liegenlassen. Zweiter Hinweis: Die Ermordete hiess in Wirklichkeit Maureen Stanning, verurteilt dafür, dass sie auf der Longridge Farm die drei Waisenkinder Corrigan aufgenommen hat. Allesamt hat sie misshandelt und das jüngste Kind in den Selbstmord getrieben.

Mord vor Publikum

Eines der überlebenden Kinder, sei es das Mädchen oder der Junge, ist auf Rachefeldzug. Wie die Einzelnen auch immer in die vergangene Geschichte verstrickt sind. Nichts sollen sie Sergeant Trotter nun noch verschweigen. Doch zu spät: Mrs. Boyle, die für die Platzierung der Kinder mitverantwortlich war, wird im finster angedunkelten Bühnenwohnzimmer unter Geröchel erwürgt.

Die Aufregung ist gross. Die Figuren wuseln, beschleunigt von aufgedrehten Intermezzi in doppelter Geschwindigkeit, munter durchs Wohnzimmer und angrenzende Zimmerfluchten. Die Verdachtsmomente häufen sich. Nichts ist, wie es scheint. Der komödiantisch überspielte Paravicini ist ein roter Hering, Wren hat seinen Namen erfunden. Beide begehen sie, zur Lust des Publikums, gesellschaftliche Tabubrüche am laufenden Band. Mrs. Boyle ist so boshaft dargestellt, man möchte sie am liebsten selbst erwürgt haben. Trotters Besessenheit führt so weit, dass er wie ein Polizeihund schnobernd über den Teppich robbt.

Unter der Regie von Barbara David Brüesch spielt das Theater des Kantons Zürich brillant mit den Emotionen des Publikums. Der Detective Sergeant hat etwas Manisches. Mal treibt er die Verdächtigen akkusatorisch zur belämmerten Schafherde zusammen, mal rückt er ihnen einzeln auf die Pelle. So gross der Furor auch ist, die Untersuchung ist oft genug zum Lachen.

Geist aus der Vergangenheit

Den Kontrapunkt setzt ein halbwüchsiger, totenbleicher Junge. Vom Ensemble ungesehen geistert er in langsamen bedächtigen Bewegungen gespenstisch durchs Wohnzimmer und sitzt den Figuren auf. An Kindsmisshandlung und Traumata mahnend, unterstreicht er den Ernst des Themas.

Der Mörder muss gefunden werden, nur so ist die Ordnung zur Zufriedenheit des Publikums wieder herzustellen. Er verrät sich seiner Schwester dadurch, wie er sich durch die Haare fährt. Klar muss der es sein, war er doch unmittelbar nach dem Mord auch der Letzte, der verstohlen wieder auf der Bühne erschien. Verhaftet wird er, der Geisteskranke.

Der Applaus für das gelungene Stück, das die Bühne mit so viel überdrehtem Leben und einfühlsamer Dramatik füllt, ist gross. Dem Ensemble ist es gelungen, den Klassiker zum Lustspiel zu machen, ohne in Klamauk zu verfallen und die Tragödie runterzuspielen.

Mrs. Boyles Tod verdeutlicht es: Der Mörder ist im Haus. (Bild: Michael Flückiger)
Mrs. Boyles Tod verdeutlicht es: Der Mörder ist im Haus. (Bild: Michael Flückiger)