Jägersgfell und Weidmannsheil: Auf einem Trieb mit der Jagdgesellschaft Safenwil-Berg

Jäger und Treiber warten vor einem Trieb auf die organisatorischen Anweisungen des Jagdleiters. (twa)
Jäger und Treiber warten vor einem Trieb auf die organisatorischen Anweisungen des Jagdleiters. (twa)
Das erlegte Reh ist bereit für den Abtransport. (twa)
Das erlegte Reh ist bereit für den Abtransport. (twa)
Der Jäger feuert seinen zweiten Schuss ab, um diesen Rehbock endgültig zu erlegen. (Bild: Tobias Walt)
Der Jäger feuert seinen zweiten Schuss ab, um diesen Rehbock endgültig zu erlegen. (Bild: Tobias Walt)
Jagdleiter Thomas Ilg dankt «dem Schöpfer» für den erfolgreichen Jagdtag. (twa)
Jagdleiter Thomas Ilg dankt «dem Schöpfer» für den erfolgreichen Jagdtag. (twa)

GLOSSAR

Jagdbegriffe

 

An-/Abhornen: Akustische Eröffnung, Beendigung des Triebs durch das Jagdhorn

Ansprechen: Wild nach Art, Geschlecht, Alter und Zustand erkennen und klassifizieren

Aser: Mahlzeit eines Jägers

Ausweiden/Aufbrechen: siehe «Rote Arbeit»

Bruch: Benadelte oder belaubte Zweige bestimmter Bäume

Dublette: Erlegung von zwei Stück Wild aus derselben Waffe in zeitlich unmittelbarer Abfolge

Nachsuche: Suche nach angeschossenem, verletztem Wild nach einem Trieb

Stand: Standort eines Jägers während eines Triebs

Rote Arbeit: Ausnehmen («aufbrechen, «ausweiden») des erlegten Wildes

Rotwild: Hirsche

Schwarzwild: Wildschweine

Trieb: Jagdvorgang bei der Treibjagd

Verhoffen: Stehenbleiben des Wildes, um einen Gegenstand zu betrachten oder ein Geräusch zu orten

Der Himmel zeigt sich von seiner stark bewölkten Seite und die Windböen rauschen durch den Safenwiler Wald, als sich die Jagdgesellschaft Safenwil-Berg morgens um acht Uhr bei der Sportanlage Höchacker zur Pächterjagd besammelt. Jagdleiter Thomas Ilg darf heute zehn Treiber, acht Jäger und vier Hunde begrüssen. Ilg erläutert noch einmal die wichtigsten Regeln, wünscht allen «Jägersgfell» und dann geht es los zum ersten Trieb. Dieser befindet sich im sogenannten Fuchsloch, am Rande von Uerkheim. Alles ist genau organisiert. Die jahrelange Erfahrung und die geografischen Kenntnisse sind dabei Grundvoraussetzungen für das Gelingen. Die Treiber laufen nebeneinander in einer geraden Linie mit einem Abstand von jeweils ein paar Metern durch den Wald und das Gestrüpp. Dabei lassen sie ihre Hunde von der Leine. Diese übernehmen den wichtigsten Teil der Arbeit beim Treiben. Jagdleiter Ilg und seine Frau, Treiberchefin Katrin Ilg, nehmen ihre beiden Cocker Spaniels Rubens und Othello auf jede Jagd mit. Hunde dieser Rasse tragen den Jagdinstinkt in sich, werden aber auch speziell für ihre Aufgabe ausgebildet. Sie sollen das Wild aufspüren und aus ihren Verstecken treiben. Bestenfalls läuft das Wild dann den Jägern direkt vor die Flinte. Diese postieren sich währenddessen auf ihren strategisch günstig gelegenen Ständen rund um die Wiese und warten bis etwas passiert, beziehungsweise das Wild «anwechselt». Aufgrund des garstigen Wetters scheinen die Rehe jedoch das Gebiet des ersten Triebs zugunsten von windgeschützten Mulden zu meiden. Nach etwa 30 Minuten macht das sogenannte «Abhornen» die Runde unter den Jägern. Es ist das Zeichen, dass der Trieb beendet ist. Die Jäger geben das Signal weiter und man besammelt sich am vereinbarten Ort.

Pacht für acht Jahre
42 Rehe muss die Jagdgesellschaft Safenwil-Berg in ihrem Revier jährlich erlegen. Dies ist eine Vorgabe des Kantons, von welchem die Jagdgesellschaft das Revier pachtet. 31 Mal war man in diesem Jahr bereits erfolgreich. Wird das Ziel bis Ende Jahr nicht erreicht, könnte es eine Rüge des Kantons absetzen. Wer zu viele Rügen kassiert, muss damit rechnen, die Pacht des Reviers an die Konkurrenz zu verlieren. Die Jagdgesellschaft Safenwil- Berg hatte Glück. Eben erst wurde die Pacht für acht weitere Jahre verlängert. 7300 Franken bezahlt die Gesellschaft dem Kanton jährlich. Der Betrag wird unter den acht Pächtern aufgeteilt. Im Gegenzug dürfen die Jäger über das in ihrem Gebiet geschossene Wild frei verfügen. Einige Restaurants in der Region sowie viele Private gehören zu den Kunden.

Einer der Pächter ist Kurt Glatzfelder. Seit zehn Jahren ist er Jäger. Geduldig wartet er beim zweiten Trieb im Fuchshubel auf das sogenannte Anhornen der Treiber und späht über die Wiese hinüber zum Waldrand. Sollte sich ein Wildtier nähern, darf er höchstens auf eine Distanz von 30 Metern schiessen. Es ist ausserdem wichtig, dass das Reh vor dem Abschuss anspricht. Dies bedeutet, dass der Jäger wissen muss, worauf er genau schiesst. So darf eine Rehgeiss beispielsweise nicht führend sein, also kein Kitz mit sich führen, welches auf ihre Milch angewiesen ist. Rennen also zwei oder mehrere Rehe hintereinander über eine Wiese, schiesst der Jäger auf das hinterste und damit schwächste Tier der Gruppe.

Plötzlich springt ein Reh aus dem Wald. Verunsichert bleibt es kurz stehen – es «verhofft» in der Jägersprache. Dann rennt es weiter, direkt auf Kurt Glatzfelder zu. Dieser schlägt sein Gewehr an. Ein Schuss, ein Knall, das Tier fällt zu Boden, lebt aber noch. Glatzfelder muss einen zweiten Schuss abgeben, um das Tier «zum Liegen zu bringen». Der Schuss beendet das Leben des Rehbocks nach wenigen Sekunden. Der Jäger bläst drei Mal lange in sein Jagdhorn. Es signalisiert damit, dass er ein Reh geschossen hat. «Weidmannsheil», gratulieren ihm seine Jagdkollegen. Später wird der Bock ausgeweidet. 19 Kilogramm bringt er dann noch auf die Waage. Noch am gleichen Tag wird er zum Metzger gebracht. In einem nachfolgenden Trieb erlegt ein anderer Jäger noch ein Rehkitz.

Demut gegenüber den Tieren
Dem toten Tier wird ein Tannenzweig, ein sogenannter «Bruch», in den Mund («Äser») gelegt. Mit diesem «letzten Bissen» erweist man ihm die letzte Ehre. Es ist als Zeichen der Demut gegenüber der Tiere zu werten. «Wir jagen nicht, weil wir Freude daran haben, Tiere zu töten. Wir tun dies, weil wir Freude an der Jagd haben, gerne in der Natur sind und diese vor Überpopulation des Wildes schützen wollen», sagt Kurt Glatzfelder. Auch bei ihm als erfahrenem Jäger sei auf jeder Jagd und nach jedem Abschuss etwas Nervosität dabei. «Bei jedem Schuss schnellt der Puls in die Höhe. Wäre das nicht so, dann würde etwas nicht mehr stimmen.» Die Jagd als «ein Hobby» dieser Menschen zu beschreiben, wäre beinahe vermessen. Alle – vom erfahrenen Jäger über den Jagdlehrling bis zur jungen Treiberin – sind mit einer herzhaften Leidenschaft dabei. Es scheint für die Leute hier eine Selbstverständlichkeit, ihre Zeit der Jagd zu widmen. «Es ist eine Berufung», ist man sich einig. «Ich jage nicht, um zu töten, ich töte, um gejagt zu haben», sagte bereits der spanische Philosoph José Ortega y Gasset zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Wie viele andere Vereine und Gesellschaften, haben aber auch die Jäger ein Nachwuchsproblem. Für einige Personen in der Runde ist das Jagen eine Familientradition. Schon als Kind begleiteten sie ihren Vater an Jagdtagen. Auch der Jagdlehrling, welcher noch eine strenge Prüfung zu bestehen hat, steuert bereits auf seinen 50. Geburtstag zu.

Der Jagdtag erinnert etwas an einen Pfadinachmittag, bei dem es allerdings auch um Leben und Tod geht. Er endet beim gemütlichen Zusammensein rund um ein Feuer. Während es eindunkelt, ist es Zeit für den Aser, eine Mahlzeit in der Jägersprache. Jagdleiter Ilg dankt auf zeremonielle Art und Weise «dem Schöpfer» für den erfolgreichen Jagdtag.