«Lehmann Brothers»: Von Baumwollgeschäften und Börsencrashs

Mehr als einen Koffer hatten die Auswanderer oft nicht dabei. aw
Mehr als einen Koffer hatten die Auswanderer oft nicht dabei. aw

«Lehman Brothers» aus der Feder von Stefano Massini greift die Insolvenz der gleichnamigen US-Investmentbank im Jahr 2008 auf, die in Folge eine weltweite Finanzkrise auslöste. Ein Börsencrash auf der Bühne hat kaum Auswirkungen auf die Finanzwelt. Ob sich nur Finanzexperten im Stadtsaal befanden, ist auch nicht nachweisbar. Was in Erinnerung bleibt, ist eine dramatische Familiengeschichte, wie sie erfolgreicher nicht verlaufen könnte. Doch die Lehmann-Familie gibt die Fäden aus der Hand. Dubiose Wertpapierhändler und Immobilienspekulanten übernehmen die Geschäfte und sich selbst. Damit war der Stoff geschrieben, auf dem Träume wie Albträume basieren.

Woher die drei nach Amerika ausgewanderten Brüder jüdischer Abstammung – Henry, Emanuel und Mayer Lehmann – kamen, wurde lautstark mehrmals proklamiert: Rimpa, Bayern, Germany. Ganz unwichtig ist das nicht, denn Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Juden aus und versuchten ihr Glück im Warenhandel, mit Geldgeschäften oder der Produktion von Tuchwaren. Bestes Beispiel sind die blauen Leinenhosen, die unter dem Namen «Jeans» Weltruhm erlangten und heute zu fast jedem Anlass getragen werden.

Fünf Männer und eine Frau belebten die Bühne gestenreich und mit ausdruckvoller Mimik in verschiedenen Rollen, tauschten Kleider in rasendem Tempo, zauberten Requisiten hervor, versteckten Bärte unter Hüten, verschoben die Bühnenelemente, kletterten Leitern hoch oder auf Holzkisten.

Applaus für gelungene Wortspiele
«Ohne Publikum gibts kein Theater», philosophierte Annina Maria Beck vom Bereich Kultur der Stadt Zofingen in ihren einführenden Worten. Dieses hatte kaum Zeit, sich auf einzelne Szenen zu konzentrieren, und sparte bei besonders gelungenen Wortspielen und prägnanten Szenen nicht mit Applaus. Ein einfaches Bühnenbild und zwei Kleiderständer – einer rechts, der andere links der Bühne – komplettierten die über eine Zeit von mehr als 160 Jahren spielende Unternehmergeschichte.

So nebenbei lernen die Theaterbegeisterten, dass die Firmengründer mit dem Handel von Saatgut, Werkzeugen und Karren in Montgomery, Alabama, begannen. Mit dem Erliegen des Baumwollhandels nach dem Sezessionskrieg zwischen Nord- und Südstaaten steigen Emanuel und Mayer in das Banken- und Rohstoffbörsengeschäft ein. Lehman Brothers investiert in die Eisenbahn, Automobil-, Erdöl-, Film-, Luftfahrt- und Computerindustrie, überlebt den Börsencrash 1929 an der Wall Street und zwei Weltkriege. Emanuels Sohn Philip und Enkel Robert leiten das Familienunternehmen, bis es mit der Übernahme durch American Express in familienfremde Hände gelangt.

Einer der Abkömmlinge, Herbert Lehmann, wird erster jüdischer Gouverneur von New York. Zweifellos packt das Stück heisse Eisen an, was Geschäftspraktiken und Verhandlungsgeschick, aber auch Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen angeht, von jüdischen Familienbanden und Brauchtum ganz zu schweigen. «Die Lehman Brothers setzen immer auf die richtige Karte», heisst es. Die Akteure vermittelten den Sachverhalt oft durch Textwiederholungen. Mehr noch begeisterten die herrlichen Dialoge, nachzulesen im Programmheft.

(Bild: Alfred Weigel)
(Bild: Alfred Weigel)