
Deftige Komik, volle Klänge, elegante Koloraturen
«Spiel mir das Lied von Rossini» wird noch am Freitag, 2. und Samstag, 3. November gespielt. Die Dernière am Sonntag, 4. November, ist ausverkauft.
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Dass ganz normale Leute plötzlich höchst kunstvoll und ausdrucksstark zu singen beginnen, ist in der Opera Buffa gewollt. Das Publikum lacht schenkelklopfend über eine Handlung mit Knalleffekten und staunt gleichzeitig über die ausdifferenzierte Virtuosität in Musik und Gesang. Der IG Opera gelingt dieser Spagat in «Spiel mir das Lied von Rossini» mit Bravour. Das Publikum im Palass Zofingen ist hingerissen von diesem schmissigen Abend, der nicht nur farbenprächtig verzierte Musik, sondern auch reichlich verbalen Pfeffer und bunte Kostüme zu bieten hat. Die Spielfreude des Ensembles mit je vier Profis in Gesang und Orchester und einem 30-köpfigen Laienchor schlägt durch.
Gefahrvolle Reise
Es ist die festliche Ouvertüre zu «La gazza ladra», die den grossen Komponisten Gioachino Rossini (1792–1868) um 1850 im Hafen von New York ankündigt. Er ist über den Atlantik gereist, um im Provinznest Poplar Bluff eine Erbschaft mit Saloon, Land und einer Wasserquelle anzutreten. Auf dem Weg dahin muss er schwierige Momente überstehen. Der Chor begrüsst die Reisenden feierlich mit der «Hyménée, ta journée fortunée» aus Wilhelm Tell. Der Komponist, der die USA in Wirklichkeit lediglich in der Fantasie des österreichischen Autors Kurt Palm bereist hat, betritt das Festland noch etwas benommen. Bariton Niklaus Kost als Rossini ist der Fels in der Brandung und schmettert seine Arien mit kraftvoller Leichtigkeit ins Publikum. Die wandelbare Mezzosopranistin Julia Siegwart gibt ihm als Indianerin Two Mountains über 1700 staubige Kilometer souverän das Geleit. Der zauberhafte Schmelz ihrer Arie «Questo Cor» aus der Elisabetta haut nicht nur das Publikum, sondern auch Rossini aus den Socken. Tenor Niklaus Loosli, der die Gesellschaft als Inder Kamelesh komplettiert, mimt den Part des Witzbolds mit theatralischer Grandezza und erntet Lacher am laufenden Band. Unter anderem muss er seinen Kopf dem Figaro Rossini hinhalten, als dieser mit der Schere schnippelnd das berühmte «Largo al factotum» aus dem Barbier von Sevilla zum Besten gibt.
Sopran Anna Nero schlüpft in verschiedenste Rollen. Mit Rossini singt sie noch am Hafen als Hedwig das wunderbare Duett «Tirana pour deux», schlüpft später in die Rolle einer Indianerin und nimmt im zweiten Teil in Poplar Bluff als kampfeslustige Myra das Heft in die Hand.
Es gibt viel zu sehen in dieser komischen Oper. Der berauschend vitale Querschnitt durch das Liedgut ist farbenprächtig kostümiert und gespielt. Der Bühnenbau mit effektvoll umgesetzten Hafen-, Prärie- und Saloonkulissen ist von stimmiger Funktionalität, das Podest in den oberen Stock öffnet den Raum. Zahlreiche Details versüssen den Abend. So gleitet zum Beispiel zu jedem Lied im Hintergrund ein Tuch über die Bühne, das auf wenige Zeilen zugespitzt den Inhalt im Kern erfasst. Dem Chor kommt eine tragende Rolle zu. Wie er als Indianerstamm die Ouvertüre aus Wilhelm Tell mit Gesang instrumentiert, ist ebenso spassig wie die verschiedentlichen querschlägerischen Einzelaktionen der Chormitglieder. Ein Glanzstück liefert er unter anderem mit dem feierlichen «Quanta roba» (Welche Beute!) ab, mit dem er seiner Freude über eine ergatterte Büchse Bohnen Ausdruck verleiht. Der Chor spielt auch eine tragende Rolle im Tutti «Dal tuo stellato soglio», wo alle Stimmen höchst gelungen miteinander harmonieren. Im Hintergrund agieren die Musiker Helene Feichtl (Violine) Marlis Walter (Klavier), Ursula Ziörjen (Querflöte) Jonas Willimann (Cello) äusserst sicher.
Wilhelm Tells Ouvertüre ist so etwas wie das Leitmotiv und treibt die Oper dem Showdown in Poplar Bluff entgegen. Im Saloon erhebt Myra zunächst mit «Una voca poco fa» die Stimme zu einer bewegenden Arie an die gleichgeschlechtliche Liebe. Bevor sie sich entschlossen für ihre Schafherde zu Wehr setzt, reiht sich ein Höhepunkt an den anderen. Die von einem Schlangenbiss versehrte Two Mountains singt auf dem Tisch liegend ein wunderbares Duett mit Kamelesh. Dieser wiederum haut kurz darauf mit «La Danza» eine rauschhaft halluzinogene Arie raus. Die Musik beseelt alles. Dem hat der Bösewicht, der nicht singen kann, nichts entgegenzusetzen. Im Duell gegen Myra zieht er rasch den Kürzeren. Rossini beschenkt die Beteiligten aus seinem Erbe. Die vier Protagonisten beschliessen den Abend mit einem Quartett zu Spaghetti Bolognaise.
Keine einzige der 100 Minuten ist in dieser beschwingten Oper zu lang. Die Lieder greifen auf gelungene Weise Stimmungen aus der Western-Handlung auf. Die vielen Details und die starke musikalische Leistung beschenken reich.
