Kantonsspital Aarau will eigene Herzchirurgie und wendet sich von Hirlsanden ab

«Im Bereich Herz wird in Aarau realisiert, wovon alle sprechen – Exzellenz dank Kooperation.» Das stand im März 2014 in der Medienmitteilung, mit der das Kantonsspital Aarau (KSA) und die Hirslanden Klinik ihre Zusammenarbeit in der Kardiologie bekannt gaben. Ein paar Monate später wurde der Zusammenarbeitsvertrag unterschrieben, das KSA zog den Antrag für einen eigenen Herzchirurgie-Leistungsauftrag im Kanton zurück, Starchirurg Thierry Carrel operierte fortan in Aarau. «Das Herzzentrum Aargau: Zwei Spitäler, eine Herzmedizin», lautete der Slogan.

Heute, gut vier Jahre später, ist von dieser Euphorie nichts mehr übrig. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, kündigt das KSA die Zusammenarbeit mit Hirslanden und will ab 2020 selber Herzchirurgie anbieten. Bisher wurden die Herzoperationen in der Hirslanden Klinik durchgeführt, die kardiologische Behandlung am Kantonsspital. Künftig wolle man selber «einen durchgängigen Behandlungspfad anbieten», wird KSAChef Robert Rhiner im Artikel zitiert.

Auch wirtschaftliche Gründe
Die Zusammenarbeit mit Hirslanden habe gut funktioniert, künftig wolle man jedoch mit der Universitätsklinik Basel kooperieren. Vorgesehen ist laut Mitteilung des KSA der Aufbau einer «Herzchirurgie Nordwest», man wolle ab 2020 die «Behandlung für Herzpatienten aus einer Hand, an einem Ort und während 24 Stunden anbieten». Vorgesehen ist, dass der Basler Herzchirurg Friedrich Eckstein künftig am KSA operiert. Mit der neuen Kooperation sei eine «qualitativ hochstehende, standardisierte herzchirurgische Leistungserbringung» gewährleistet.

Neben den medizinischen Aspekten führt das KSA auch wirtschaftliche Gründe für den Entscheid an. Offenbar will das Spital die Erträge aus den lukrativen Herzoperationen künftig nicht mehr der privaten Hirslanden Klinik überlassen. «Von der Herzchirurgie am KSA wird auch der Aargau profitieren, weil sich damit der betriebswirtschaftliche Erfolg des Spitals wesentlich steigern lässt und der so erwirtschaftete Mehrwert direkt dem Kanton als Eigentümer zugutekommen wird», heisst es in der Mitteilung des Spitals. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Kanton dem KSA den Leistungsauftrag für die Herzchirurgie erteilt. Barbara Hürlimann, die Leiterin der kantonalen Abteilung Gesundheit, sagt auf Anfrage: «Wir haben das Verfahren am vergangenen Montag eröffnet, bis Mitte November läuft die Bewerbungsfrist für Leistungsaufträge in der Akutmedizin.»

Hirslanden reagiert verstimmt
Neu ausgeschrieben werden alle Leistungsaufträge, beteiligen können sich bisherige Inhaber von Aufträgen, aber auch neue Bewerber. Der Regierungsrat wird die Bewerbungen danach prüfen, die Vergabe der Leistungsaufträge ist für Juni 2019 vorgesehen. Hürlimann hält fest: «Beurteilt werden die Anträge nach neutralen Kriterien wie Bedarfsabdeckung, medizinische Qualität und Wirtschaftlichkeit – ob ein Spital im Eigentum des Kantons ist, spielt dabei keine Rolle.» Ein wichtiges Ziel der Spitalliste sei, eine Überversorgung zu verhindern. Deshalb sei davon auszugehen, dass es nur einen Leistungsauftrag für Herzchirurgie geben wird.

Über die Absicht des Kantonsspitals, bei der Herzchirurgie neu mit der Uniklinik Basel zusammenzuspannen, sei man vorinformiert worden. Bei der Hirslanden Klinik sieht dies offenbar anders aus. «Wir sind überrascht von der kurzfristigen Ankündigung», sagt Sprecher Philipp Lenz. Man bedaure den Entscheid des KSA, «die hervorragende Zusammenarbeit der letzten vier Jahre zu beenden». Die Hirslanden Klinik Aarau erbringe die Herzchirurgie für den Aargau seit 1992 «zur vollsten Zufriedenheit des Kantons sowie der Patienten.» Man gedenk dies auch in Zukunft so zu tun, kündigt Lenz an und macht damit klar, dass sich Hirslanden um den Leistungsauftrag bewerben wird. Der Hirslanden-Sprecher schickt eine Kampfansage in Richtung KSA hinterher: «Es besteht kein Bedarf für eine zusätzliche Herzchirurgie im Kanton.»

Es dürfte im nächsten Jahr also zum Kampf um den lukrativen Leistungsauftrag kommen, wobei der unterlegene Bewerber den Entscheid des Regierungsrats beim Bundesverwaltungsgericht anfechten kann. «Dies kann jahrelange Rechtsverfahren nach sich ziehen, deshalb streben wir möglichst einvernehmliche Lösungen an und werden sicherlich Gespräche mit allen Bewerbern führen», sagt Hürlimann.