
Die Krux mit den Steuern
Der Schwund, dem die Reformierte Kirche im Kanton Aargau ausgesetzt ist, ist brutal. Die Zahl der Heiraten ging in den letzten 25 Jahren von über 800 auf rund 200 zurück. 22 Personen besuchten kürzlich die Kirchgemeindeversammlung in Brittnau – das sind rund 1,2 Prozent der dortigen Kirchenmitglieder. Leute für die Kirchenpflegen zu finden wird immer schwieriger.
Bald trifft im Kanton ein Szenario ein, das den Kirchenmanagern schlaflose Nächte bereiten muss: Der Anteil der Bevölkerung, die sich – zumindest auf dem Papier – zu einer der drei öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen bekennt, wird unter 50 Prozent sinken. Spätestens dann steht zur Debatte, ob unser System mit den Kirchensteuern noch legitim ist. Heute zieht der Staat für die anerkannten Kirchen die Steuern ein. Das System ist historisch gewachsen und hatte ein gesellschaftliches Fundament. Dieses Fundament schmilzt dahin wie Schnee in der Sonne. Der Glaube «verdunste», sagte der heutige Kurienkardinal Kurt Koch schon vor 15 Jahren – betroffen sind Katholiken und Reformierte gleichermassen. Zentrale Elemente religiöser Praxis lösen sich quasi in Luft auf. Natürlich sind die Landeskirchen nach wie vor wichtige Organisationen im Land, wie der Präsident der Aargauer Reformierten im Interview sagt. Fakt ist auch, dass die Schweiz in ihrem Verhältnis zu den Kirchen an einer Bruchstelle der Geschichte steht. Viele Menschen glauben vielleicht noch an eine höhere Macht; religiös im christlichen Sinne sind sie längst nicht mehr. Das muss für das System der Kirchensteuern Konsequenzen haben – lieber früher als später.