Jérémy Desplanches gewinnt mit Bronze erste Schwimm-Medaille seit 1984

Nächste Medaille für die Schweiz bei den Olympischen Spielen in Tokio. Der Genfer Jérémy Desplanches schwimmt über 200 Meter Lagen in 1:56,17 Minuten einen neuen Schweizer Rekord und gewinnt Bronze, nur 5 Hundertstelsekunden vor dem Japaner Daiya Seto, den er auf der letzten Bahnlänge noch abfangen konnte. Desplanches ist damit erst der zweite Schweizer Schwimmer nach Etienne Dagon 1984 in Los Angeles, der eine Olympia-Medaille gewinnt. Der Bieler Dagon gewann über 200 Meter Brust wie nun Desplanches Bronze. Gold geht mit einer Zeit von 1:55,00 an den Chinesen Wang Shun, Silber an den Briten Scott Duncan (1:55,28).

Jérémy Desplanches sagt:

«Am Ende konnte ich nicht mehr atmen und habe nichts mehr gesehen. Es ist unglaublich, eine grossartige Leistung für mich, aber auch für alle, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Während der Pandemie hatte ich grosse Zweifel.»
Jérémy Desplanches ist erst der zweite Schweizer Schwimmer nach Etienne Dagon 1984, der eine Olympia-Medaille gewinnt.

Jérémy Desplanches ist erst der zweite Schweizer Schwimmer nach Etienne Dagon 1984, der eine Olympia-Medaille gewinnt.

Patrick B. Kraemer / EPA

Der Olympia-Medaillengewinn ist das Resultat einer bemerkenswerten Kompromisslosigkeit. Im April 2014 verlegte Jérémy Desplanches seine Trainingsbasis von Genf nach Nizza an die Côte d’Azur, um bei Olympic Nice Natation unter dem französischen Weltklassetrainer Fabrice Pellerin zu trainieren. Mit Erfolg: Innerhalb von nur sieben Jahren verbesserte er sich in seiner Spezialdisziplin um sechs Sekunden. Zuletzt schwamm er bei drei Grossanlässen in Folge zu Medaillen. 2018 wurde er Europameister, im Jahr darauf holte er bei den Weltmeisterschaften Silber und in diesem Frühling gewann er erneut Silber bei den Europameisterschaften.

Lungenkapazität zusammengesackt

Noch vor einem Jahr schien Jérémy Desplanches‘ Exploit undenkbar. Denn während des zweimonatigen Lockdowns, während dem kein Training im Becken möglich war, veränderte sich sein perfekt austrainierter Körper. Er nahm zwar nicht zu, doch er verlor Muskelmasse. Die Lungenkapazität sackte um rund 40 Prozent zusammen. Auch psychisch setzte ihm die Pandemie zu. «Ich habe mich völlig abgeschottet und viel gelesen, das war mir alles zu negativ», sagte er dem «TagesAnzeiger». Dazu hätten ihn die Gedanken an die Konkurrenz gequält. «Man fragt sich, was machen die anderen? Trainieren sie? Wer hat welche Möglichkeiten? Mit einigen war ich in Kontakt, aber es blieb uns nur, zu warten, warten, warten.»

Als er wieder ins Training einsteigen konnte, machte ihm nicht nur die fehlende Leistungsfähigkeit der Lunge zu schaffen. «Schultern, Knie und Fussgelenke waren wie eingerostet», sagte Desplanches. Erst nach zwei Monaten war wieder ein normales Training möglich und erst im letzten Dezember bestritt er wieder einen Wettkampf. Seither legte der Genfer einen veritablen Steigerungslauf hin, der im Olympia-Becken von Tokio im Medaillengewinn kulminierte. Seinen eigenen Schweizer Rekord unterbot Desplanches in 1:56,17 Minuten um nicht weniger als 0,39 Sekunden.

Jérémy Desplanches schreibt Schweizer Schwimmsport-Geschichte.

Jérémy Desplanches schreibt Schweizer Schwimmsport-Geschichte.

Patrick B. Kraemer / EPA

Der Kopf der neuen Schweizer Schwimm-Generation

Sein zweites Olympia-Abenteuer nach Rio de Janeiro war mehr schlecht als recht gestartet. Im ersten Halbfinal schwamm er nur eine Zeit von 1:57,38 Sekunden und musste abwarten, ob er sich über die Zeit für den Final der acht Schnellsten qualifizieren würde. Desplanches: «Ich habe mich zu Tode erschrocken. Ich zittere immer noch. Es war sehr, sehr schwer. Ich habe eine Menge Druck gespürt und war richtig gestresst.» Desplanches, der über sich sagt, er verfüge über kein Talent, machte sich den Druck selber, als er vor fünf Jahren bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro sagte, spätestens in Tokio wolle er über 200 Meter Lagen «zur Crème de la Crème gehören» und eine Medaille gewinnen.

Jérémy Desplanches ist der Kopf einer neuen Generation von jungen Schweizer Schwimmerinnen und Schwimmern, die in Tokio mit neuen Landesrekorden gleich mehrfach aufhorchen liessen. 2019 gewann er WM-Silber über 200 Meter Lagen, ein Jahr zuvor hatte er bei den EM-Silber gewonnen; wie auch in diesem Frühling. Mit seinen bald 27 Jahren ist der Genfer der Senior im Team, Antonio Djakovic ist gerade einmal 18 Jahre alt und der Jüngste der gesamten Schweizer Delegation in Tokio.

Für die Schweiz ist es offiziell die siebte Medaille bei den Olympischen Spielen in Tokio nach Gold, Silber und Bronze im Mountainbike durch Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand, Silber durch Mountainbiker Mathias Flückiger, Silber im Zeitfahren durch Marlen Reusser und Bronze durch Nina Christen im Schiessen. Weitere zwei Medaillen kommen am Wochenende im Tennis dazu. Am Samstag steht Belinda Bencic im Einzel-Final und am Sonntag mit Viktorija Golubic im Doppel-Final.