Social Media statt Reiseführer: Wir wollen sehen, was andere bereits gesehen haben

«Mit dem Michelin in der Hand fährt er durchs ganze Land» – das war einmal. Social Media und «Influencer» laufen gedruckten Reise- und Restaurantführern den Rang ab – und das mit Folgen. Prominentes Beispiel ist das Berggasthaus Aescher-Wildkirchli im Appenzellerland. Ein ungeheurer Hype im Internet hat einen gewaltigen Touristenansturm ausgelöst. Der ist so enorm, dass die Pächterfamilie entnervt das Handtuch wirft.

Werbewirkung des Fernsehens
Welchen Einfluss haben Social Media, Tripadvisor und Co. auf den Tourismus in der Region? Was sagen Hoteliers und Tourismusfachleute? Bruno Lustenberger von der «Krone» Aarburg ist Präsident des Branchenverbands Gastro Aargau. Er nimmt bei der Nachfrage nach seinen Hotelzimmern wahr, dass über dem Städtchen eine oft als Foto ins Internet gestellte Festung thront. «Allerdings ist dieser Effekt nicht sehr gross», sagt Lustenberger. Andere Aargauer Destinationen – die Habsburg, der Hallwilersee – profitierten mehr. Was man bei Gastro Aargau stark wahrnimmt, ist die Werbewirkung von Fernsehsendungen. «Egal ob das Restaurant in der Beizen-Sendung gut oder schlecht abschneidet, das porträtierte Haus hat für einige Zeit zusätzliche Gästefrequenz.»

Für den Aargau als Kultur- und Freizeitkanton werben – das ist Aufgabe von Aargau Tourismus. Direktorin Andrea Portmann sagt, dass ihre Organisation recht spät auf den Zug der Social Media aufgesprungen ist. «Wir wollten ganz bewusst nicht experimentieren, sondern erst eine Strategie erarbeiten.» Seit etwas mehr als einem Jahr ist Aargau Tourismus nun bei Facebook und Instagram unterwegs.

«Ziel dabei ist nicht, Hotspots wie die Habsburg zu verkaufen, sondern den Aargau in seiner Vielfalt abzubilden – eine Wahrnehmungssteigerung für die Marke Aargau zu bewirken.» Einen Aargauer Hype – ein Aescher-Wildkirchli im Kleinen – hat es dieses Jahr im Rahmen der Aktion Swiss Pop-up Hotels gegeben. Eine der Beherbergungsmöglichkeiten auf Zeit war in diesem Sommer eine historische Gefängniszelle im Badener Stadtturm.

Zurück in die Region. Rudolf Günthardt ist Direktor des Hotels Zofingen. Für ihn ist das Internet sehr wichtig. Allerdings weniger Social Media, als seine Homepage, Newsletters und Buchungsplattformen. «Die Region Zofingen hat weder einen See noch ein Skigebiet – hat touristisch nicht allzu viel zu bieten.» In seinem Hotel steigen die Gäste der regionalen (Industrie-)Unternehmen ab. Diese und Seminare in seinem Haus füllen ihm die Betten. Auch vom Heitere Open Air profitiert das Hotel: «Nein, nicht Open-Air-Besucher, sondern Leute, die auf dem Heitere arbeiten, sorgen für ein volles Haus.»

Fotohotspots in der Region
Und was findet sich auf Social Media an Bildern aus der Region? Aufschlussreich ist ein Blick auf die Seite sightsmap.com. Sie registriert, wie viele Fotos von einem Standort auf Bilderdienste hochgeladen wurden und visualisiert dies auf einer Karte. Top-Hotspot ist das Heitere Open Air gefolgt vom Städtchen Aarburg mit Aare und Festung. Reizvoll zu sehen, was in Rothrist, Strengelbach, Oftringen (hier die Kreuzung bei der Clientis-Bank), Kölliken, Murgenthal und im kleinen Wiliberg öfters fotografiert wird.