
Doppelt peinlich
Man ahnte es schon im Augenblick, als die Bilder über die Bildschirme gingen: Der Doppeladler-Jubel von Shaqiri, Xhaka und Lichtsteiner würde ein mediales Erdbeben auslösen. Und so kam es. Die «Weltwoche» widmete dem Thema neun Seiten; die Glaubwürdigkeit der Schweizer Neutralität sei angekratzt, befand das Blatt. Eine Online-Umfrage von «20 Minuten» weist (Stand gestern) über 220000 Teilnehmer aus. Man wünscht sich, die AHV-Reform würde nur annähernd hohe Wellen schlagen.
Was lernen wir daraus? Natürlich war es dumm von Shaqiri und Co., den Giftschrank mit aufgeladener nationalistischer Symbolik zu öffnen. Den Vorfall zu einer Staatsaffäre aufzubauschen ist hingegen völlig übertrieben. Dass den von Adrenalin und Testosteron getriebenen, zum Sieg entschlossenen Jungs im Augenblick des Triumphs die Sicherungen durchbrennen, ist nachvollziehbar. Sie haben ihre Lektion gelernt, und hoffentlich mit ihnen die ganze Schweizer Fussballwelt: Politische Provokationen auf dem Rasen sind einfach nur peinlich – für alle, die zuschauen. Nur: Von Top-Sportlern mit ausländischen Wurzeln zu verlangen, ihre Schweizer Staatsbürgerschaft dauernd wie eine Monstranz vor sich herzutragen, ist ebenso peinlich.
In ihrer Brust schlagen zwei Herzen, wie bei vielen Menschen, die sich mehr als einem Land verbunden fühlen. Die Unterstellung, sie seien deshalb nur Schein-Schweizer, gehört wie die Doppeladler-Geste in den Giftschrank. Den Kindern von Shaqiri und Xhaka wird der Doppeladler kaum mehr bedeuten als eine seltsame Handbewegung, die ihre Väter in die Schlagzeilen brachte. Und sie werden vorbildliche Schweizerinnen und Schweizer sein – so wie sie es von ihren Vätern gelernt haben.