Ein Skandal, der untergeht

Liegt es an der Fussball-WM? Am schönen Wetter? Die Nonchalance, mit der das Land auf eine Nachricht reagiert, die in dieser Woche für Schlagzeilen sorgte, erstaunt. Es geht um die Heiratsstrafe. Wir erinnern uns: 2016 scheiterte die CVP-Volksinitiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe ganz knapp mit 49,2 Prozent Ja-Stimmen. Das Ständemehr hatte die Vorlage erreicht. Ich erinnere mich gut an die Diskussionen im Vorfeld. Betroffen seien ja bloss gut 80 000 Zweitverdienerpaare. Die Zahl stand auch im Abstimmungsbüchlein. Nun hat der Bundesrat vor gut einer Woche mitgeteilt, dass diese Zahl kreuzfalsch war. Tatsächlich sind fünfeinhalb Mal mehr, nämlich 454 000 Ehepaare betroffen – also mehr als 900 000 Personen.

Gut, hat die CVP postwendend in acht Kantonen Abstimmungsbeschwerden eingereicht. Die Abstimmung muss wiederholt werden, alles andere wäre Schindluder getrieben.

Der Fehler bei der Erhebung der betroffenen Paare sei «gravierend und folgenschwer», schrieb die CVP zu ihren Beschwerden. Das ist viel zu nett formuliert: Es ist absolut unerklärlich und hochgradig skandalös, wie diese Fehlberechnung zustande kommen konnte. Im Nachhinein wundert man sich, warum den unzähligen Steuerexperten im Land – auch bei der CVP – die tiefe Zahl von 80 000 betroffenen Paaren damals nicht verdächtig vorkam.

Die Wählerinnen und Wähler haben ein Recht darauf, zu erfahren, was schiefgelaufen ist und wer dafür verantwortlich ist. Und ein neuer Urnengang die einzige Antwort auf die Frage, wie wir künftig mit der steuerlichen Diskriminierung von Ehepaaren umgehen wollen.