
Fac simile – Mach es ähnlich
Faksimile-Editionen und Kunstbücher sind die Welt von Clarissa Rothacker, Redaktorin beim Luzerner Quaternio Verlag. Worin unterscheidet sich das Faksimile vom noch so hochwertigen Kunstbuch? «Ein Faksimile gibt eine mittelalterliche Handschrift so genau wie möglich wieder», sagt Rothacker. Abgebildet wird sie in ihrem Originalzustand – mit ihren Gebrauchsspuren und Beschädigungen. Auch das Format und der Beschnitt des Buchblocks entsprechen dem Vorbild.
Die Produktion beginnt, indem ein spezialisierter Fotograf digitale Aufnahmen der Buchseiten macht – oft vor Ort in jener Bibliothek, welcher die Handschrift gehört. Gedruckt wird im Offsetverfahren. Während für einen Kunstdruck oder ein Kunstbuch mit vier Farben alle Farbtöne wiedergegeben werden, sind es beim Faksimile bis zu deren zwölf. Hinzu kommen meist Gold und Silber. Bei Ersterem unterscheidet man glänzendes und mattes. Je nach- dem wird Blattgold eingesetzt (und eventuell zusätzlich ziseliert) oder Pinselgold. Auch Silber kann glänzen, ist jedoch oft oxidiert – bis hin zu einem metallenen Schwarzton.
«Ageing» der Druckbogen
«Der fertige Druckbogen – nach dem Andruck mit dem Original abgeglichen – wird einem ‹Ageing›, einem manuell ausgeführten Alterungsprozess, unterzogen.» So nähert sich das Papier noch stärker dem Aussehen des Pergaments der Originalhandschrift. Ein enormer Aufwand – bis hin zur Goldschmiedearbeit – wird beim Einband des handgebundenen Faksimiles betrieben. Auch hier will das Original so exakt wie möglich wiedergegeben sein.
Das hat seinen Preis. «Je nach Umfang und Ausstattung eines Faksimiles sprechen wir von einer Preisspanne von 2300 bis hin zu 26 800 Franken», sagt Rothacker. Die Auflagen bewegen sich zwischen 280 und 680 Exemplaren. Weshalb die «x80»? Rothacker schmunzelt. «Das steht mit der Geschichte des Quaternio-Verlags in Zusammenhang». Diese fusst auf dem renommierten «Faksimile Verlag Luzern». Der wurde 2009 durch Bertelsmann aufgekauft und nach München gezügelt. Vier der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machten sich in der Folge selbstständig, gründeten Quaternio – behielten aber die Auflagezahlen der früheren Arbeitgeberin bei.
Wie entscheidet es sich, ob eine mittelalterliche Handschrift faksimiliert wird, sich das unternehmerische Risiko lohnt? «Wichtig ist ein hohe künstlerische Qualität und es ist sehr gut, wenn es sich um einen bekannten Künstler handelt. Kann man eine Geschichte zum oder über das Buch erzählen – umso besser.»
Zum Beispiel die «Savoy Hours» – ein Stundenbuch –, in den Jahren 1335–1340 geschaffen für Blanche von Burgund, Enkelin Ludwigs des Heiligen. Im Zweiten Weltkrieg ausgelagert, wurde die Handschrift später aus der Bibliothek gestohlen und nur durch Zufall wiederentdeckt. Der Preis eines der wunderschönen Faksimiles der «Savoy Hours»: 3680 Franken. Gekauft werden solche Prachtsbände überwiegend von Privatpersonen. 85 Prozent der Kundschaft bei Quaternio bestehen aus Sammlern und Kunstfreunden.
Clarissa Rothacker gibt am 15. März, um 18.30 Uhr, mit einem Referat in der Stadtbibliothek Zofingen Einblick in die Welt der Faksimiles.