
SVP-Nationalrat Giezendanner will Verbot von Dieselautos verhindern – via EU-Recht
Die Fahrverbote, die für alte Dieselautos drohen, überschatten den Genfer Automobilsalon. Sie seien ein legitimes Mittel gegen zu hohe Luftverschmutzung, hatte das deutsche Bundesverwaltungsgericht geurteilt. Hamburg will erste Beschränkungen für ältere Diesel-Fahrzeuge schon im April umsetzen. Rom plant, Diesel-Fahrzeuge ab 2024 zu verbannen. Und der Kanton Genf will bei schlechter Luft ebenfalls temporäre Fahrverbote verhängen.
Da auch Städte wie Zürich, Basel und Bern die Situation aufmerksam beobachten, versucht Nationalrat Ulrich Giezendanner, Fahrverbote für alte Dieselautos zu verhindern. Auf unkonventionellem Weg: Einen Riegel will der SVP-Nationalrat via EU schieben. Er fordert in einer parlamentarischen Initiative, die Schweiz müsse Abgas- und Stickoxidwerte für Verbrennungsmotoren mit Europa harmonisieren und die jeweils gültigen EU-Normen übernehmen.
Die taktische Idee dahinter: Die Schweiz hat mit 30 Mikrogramm pro Kubikmeter einen tieferen Stickoxid-Jahresmittelgrenzwert als die EU. Dort liegt er bei 40 Mikrogramm. «Damit würde der Grenzwert selbst in den Stadtzentren nur noch an vereinzel-
ten stark befahrenen Strassen leicht überschritten», sagt Giezendanner. «Fahrverbote von alten Dieselautos wären vom Tisch.»
Dass ausgerechnet Giezendanner EU-Normen für sein Anliegen nutzt, entbehrt nicht der Ironie. Er ist Nationalrat der SVP, jener Partei also, die sich gegen EU-Recht wehrt. «Ich bin halt einfach etwas schlitzohrig», sagt er, darauf angesprochen. Seine parlamentarische Initiative haben aber auch andere SVP-Nationalräte unterschrieben: Präsident Albert Rösti, Fraktionschef Thomas Aeschi und Toni Brunner. Und dazu die Präsidenten von FDP (Petra Gössi) und CVP (Gerhard Pfister).
«Ich will nicht, dass in der Schweiz Autos verboten werden», sagt Giezendanner. «Dieselautos sind sehr sauber. Doch zurzeit findet eine Hetzjagd statt.» Die Idee für seinen Vorstoss entwickelte der Unternehmer mit dem Touring Club Schweiz (TCS). Rudolf Zumbühl, Mitglied der TCS-Geschäftsleitung, bestätigt das. «Was in Genf geplant ist, ist reiner Populismus», sagt er. «Für uns gibt es keinen Grund für solche Verbote.» Beim TCS befürchtet man, dass nach Genf weitere Städte ähnliche Massnahmen in Betracht ziehen könnten. Eine Angst, die nicht ganz unbegründet ist. Vor allem Zürich liebäugelt mit Massnahmen. «In Zürich haben wir bereits viel erreicht», sagt Anke Poiger, Mediensprecherin der Dienstabteilung Umwelt- und Gesundheitsschutz. Der motorisierte Individualverkehr betrage nur noch 25 Prozent. Poiger sagt aber auch: «Ein Verbot von Autos mit übermässigem Schadstoffausstoss wäre ebenfalls sinnvoll.»
Sogenannte Umweltzonen, in denen Fahrzeuge mit starkem Verschmutzungspotenzial der Zugang verwehrt wird, waren vor acht Jahren auch in den Städten Bern und Basel ein Thema. Da sich die Mehrheit der Kantone 2010 dagegen wehrte, dass der Bund gesetzliche Grundlagen dafür schuf, waren sie vom Tisch. «Aus heutiger Sicht ist deshalb der effizienteste Weg, dass alle Fahrzeuge die gesetzlichen Abgaswerte dauerhaft einhalten», sagt Brigitte Meyer, Generalsekretärin des Umweltdepartements des Kantons Basel-Stadt.
Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) hält man fest, der Immissionsgrenzwert von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter sei auch 32 Jahre nach seiner Einführung «noch richtig», wie Brigitte Gälli von der Sektion Luftqualität betont. Aufgrund des Schweizer Umweltschutzgesetzes müssten neben der menschlichen Gesundheit, wie in der EU, «zusätzlich die Ökosysteme geschützt werden».