
Österreichische Nächte auf deutschen Schienen
«Das Dreamteam des ÖBB Nightjet begrüsst Sie im Kuschelzug nach Zürich», klingt es aus dem Lautsprecher. Mein Zug hat soeben den Berliner Hauptbahnhof verlassen und tuckert durch die verregnete Nacht. Während andere Mittzwanziger diese Strecke mit einer Billigfluggesellschaft zurücklegen würden, habe ich einmal mehr ein Schlafwagenabteil im Nachtzug bezogen. Diese Verbindung wurde vor gut einem Jahr von der Österreichischen Bundesbahn übernommen, nachdem die Deutsche Bahn sie nicht mehr für rentabel hielt. Im Fahrpreis inklusive ist nebst dem Frühstück eine Packung Salzbrezel, Ohrstöpsel und 33cl vom wohl billigsten Wein, den es überhaupt gibt. «Dieser Zug wird in Göttingen mit einer Einheit aus Hamburg gekoppelt», wird die Durchsage fortgesetzt. «Rufen Sie während des Vorgangs keinesfalls die Polizei! Wir sind zwar Österreicher, machen das aber jeden Tag.» Und dann wünscht die Stimme eine gute Nacht. Es würden keine weiteren Durchsagen mehr folgen. Aus Rücksicht auf «unsere Schlaf- und Liegewagengäste». Vielen Dank! Ungefähr acht Mal länger als im Flugzeug dauert der Weg mit dem Nachtzug. Acht Mal mehr Zeit, um etwas zu erleben. Und im Nachtzug gehört selbst das Schlafen zum Erlebnis. Ein Erlebnis, welches bereits dann einen Höhepunkt erreicht, wenn es kurz nach dem Einstieg um das Ausfüllen der Frühstückskarte geht, welche ich längst auswendig kenne. Ich empfehle übrigens den Bio-Schnittkäse aus Salzburger Milch. Nicht weil er besonders gut wäre. Aber er gehört zu einer erlebnisreichen österreichischen Nacht einfach dazu.
Waltsworte ist die regelmässige Kolumne von Tobias Walt, Redaktionsleiter bei Radio Inside.