
So macht Philosophie Spass: David Precht überzeugt bei der Vorstellung seines neuen Buches
Zum Überleben brauchen wir die Philosophie nicht – für ein gutes Leben aber schon. So könnte die Quintessenz von Richard David Prechts Buchpräsentation lauten. Denn auch wenn das Sinnieren über philosophische Fragen keinen konkreten Nutzen bringt, so handelt es sich dabei doch um eine erfüllende Tätigkeit.
Dass die Beschäftigung selbst mit unnützem Wissen ein breites Publikum anzusprechen vermag, beweist die von der Buchhandlung Schreiber organisierte Buchpräsentation. Am Mittwochabend fand sich in der ausverkauften Schützi ein bunt durchmischtes Publikum zusammen, um der Präsentation von Prechts neustem Buch, «Erkenne dich selbst», beizuwohnen.
Es handelt sich dabei um den zweiten seiner auf vier Bände angelegten Philosophiegeschichte. Das Gespräch wurde von Britta Spichiger, Mitverantwortliche für die Sendung «BuchZeichen» bei Radio SRF 1, moderiert.
Erkenne dich selbst
Band zwei widmet sich der Philosophie der Renaissance, der Aufklärung und des Deutschen Idealismus. Der Titel «Erkenne dich selbst» spielt dabei auf eine Wende im philosophischen Denken ab, die in der frühen Neuzeit einsetzte. Anders noch als in der griechischen Antike galt die Auffassung, dass sich die Wirklichkeit objektiv erfassen lässt, nicht mehr unbeschränkt.
Plötzlich begannen die Philosophen daran zu zweifeln, dass die Wirklichkeit tatsächlich so ist, wie wir sie zu sehen glauben. Was, wenn das, was ich als Subjekt für die Wirklichkeit halte, nur Inhalt meiner Vorstellung ist? Kann ich dann noch von einer objektiven Welterkenntnis sprechen? Wohl kaum. Vielmehr kann ich dann nur noch von der Wirklichkeit sprechen, wie sie sich in meinem Bewusstsein darstellt.
Um die Welt zu verstehen, muss ich also mein Bewusstsein verstehen, muss mich als wahrnehmendes und denkendes Wesen begreifen – muss mich also selbst erkennen.
Befreiung von der Arbeit
Mit Selbsterkenntnis wollte sich Precht aber nicht allzu lange aufhalten. Nach der Pause wagte er den Sprung von der Vergangenheit in die Zukunft: Im zweiten Gesprächsteil drehte sich alles um die digitale Revolution und ihre Folgen. Precht vertrat dabei die These, die fortschreitende Digitalisierung führe zu einer grossen Arbeitslosigkeit. Computer und Roboter werden uns immer mehr Arbeiten abnehmen.
Unser Leben wird nicht mehr durch die Erwerbsarbeit geprägt sein. Um diesem gesellschaftlichen Wandel zu begegnen, braucht es grundlegende Anpassungen. Für Precht stehen dabei die Einführung eines Grundeinkommens und eine Neuausrichtung des Bildungssystems im Vordergrund.
Mit seinen pointierten Aussagen erntete Precht wiederholt den Applaus des Oltner Publikums. Im Laufe des Abends wird klar, weshalb Precht ein begehrter Gast für Vorträge und Podiumsgespräche ist: Er verzichtet weitgehend auf abgehobenes Fachvokabular, komplexe philosophische Gedankengänge veranschaulicht er durch Beispiele aus dem alltäglichen Leben und humorvoll-scharfzüngige Bemerkungen gehen ihm leicht von den Lippen.
Der Philosoph als Generalist
Precht ist stets darum bemüht, das philosophische Denken in den jeweiligen historischen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Kontext einzubetten. Zusammenhänge herzustellen, ist ihm wichtig. So versteht er sich selbst denn auch als Generalist: Seine Aufgabe sieht er darin, Orientierungswissen zu erarbeiten.
Dieses Wissen soll helfen, in einer zusehends ausdifferenzierten Gesellschaft die Übersicht zu bewahren. Dies dürfte auch einen Teil seines Erfolgs erklären: In der heutigen komplexen Welt sehnen sich die Menschen nach einfachen Erklärungen. Mit seiner klaren Argumentation vermag Precht dieses Bedürfnis zu stillen.
Urs Bütler, Inhaber der Buchhandlung Schreiber, ist es dank seiner speziellen Beziehungen – er hat den Autor 2010 an der Frankfurter Buchmesse kennen gelernt – erneut gelungen, Precht nach Olten in die Schützi zu holen. Es handelt sich hierbei um den einzigen Auftritt in der Schweiz und um einen seiner wenigen öffentlichen Auftritte dieses Jahr überhaupt.