Ausstellung zum Thema Kommunikation: Wenn Worte sich von Blatt und Bildschirm lösen

«Kunstwort und Bildtext»

Das Kunsthaus Zofingen stellt zur Eröffnung des Themenjahres «Kommunikation & Sprache» die Werke von zwölf Künstlern aus, die Worte, Texte und Kommunikation auf ganz unterschiedliche und vielschichtige Art thematisieren. Aus dem Rahmenprogramm stechen das Podium «Zwischen Pixel & Print» am 1. März sowie die beiden Kurse zum Papierschöpfen (10. März) und Buchbinden (17. März) heraus. Die Vernissage zur Ausstellung ist diesen Samstag um 17 Uhr und beinhaltet neben den Erläuterungen der Kunstwissenschaftlerin Irene Müller eine Performance zum Werk «I want to say something» von Martina Sofie Müller.

Die Ausstellung dauert vom 10. bis 25. Februar. Vernissage: Samstag, 10. Februar, 17 Uhr; Öffnungszeiten: Donnerstag, 18 bis 21 Uhr, Samstag/ Sonntag, 11 bis 17 Uhr; Eintritt frei/ Kollekte. www.kunsthauszofingen.ch

«I want to say something» steht schwarz auf der Beige weisser T-Shirts von Martina-Sofie Wildberger zu lesen. Die horizontal verschoben übereinandergelegten Buchstaben unterstreichen die Aussage. Wer sich morgen Samstag an der Vernissage zur Ausstellung «Kunstwort und Bildtext» ein solches T-Shirt überstreift, gibt mehr als nur ein Statement ab. Sie oder er verspricht etwas und wird automatisch Teil einer geplanten Performance. Wer ist Akteur, wer Publikum? Worüber sprechen wir, und wofür ergreifen wir das Wort? Mit «Pourquoi prenons-nous la parole?» hinterfragt Wildberger Sprechakte und erkundet, welche Rahmenbedingungen Diskurse ermöglichen oder auch verhindern.

Blick hinter Konventionen
«Kunstwort und Bildtext» eröffnet im Kunsthaus das Themenjahr Kommunikation und Sprache. Die Ausstellung löst die Worte von Blatt und Bildschirm und giesst sie in verschiedenste Materialien und Formen um. So werden Worte zu Bildern und Skulpturen und treten in ein spielerisches Spannungsfeld zu den Bedeutungen, die wir ihnen beimessen. Die ungewohnten Herangehensweisen machen sprachliche Konventionen sichtbar. Die Werke der 12 Künstlerinnen und Künstler stellen infrage, halten den Spiegel vor, eröffnen neue Sichtweisen. Antworten liefern sie keine.

Ursula Rutishausers filigrane Scherenschnittworte und Buchrücken zu bekannten Romanen wie «Die Entdeckung der Langsamkeit» verdeutlichen, wie sehr ein Leseerlebnis eine grafische Darstellung magisch aufladen kann. Ihr Werk «Bis bald» multipliziert diesen Effekt mit dem Romantitel «Bis bald» des 2016 verstorbenen Autoren Markus Werner. Die 152 zur Türform angeordneten gestanzten Buchrücken-Metallplättchen sind Abschied, Lockruf.

Mireille Gros stellt mit 144 kleinformatigen, zum Zeitstrahl angeordneten Skizzenbüchern ihr «archive in-time» aus. Die Skizzen, Zeichnungen, Fotografien und getrockneten Pflanzen aus 27 Schaffensjahren sind Seite für Seite abgefilmt. Eine Kaffeeecke lädt zur Diskussion. Ihre prachtvoll-filigranen «Plantes Imaginatives», die sich an botanische Studien anlehnen, heben das Aussterben vieler realer Pflanzenarten fast schmerzhaft ins Bewusstsein.

Lustbarer schillernder Schinken
Dirk Bonsma hat 183 Linoldrucke mit symbolisch aufgeladenen Motiven hergestellt. In Kombination mit Sinnsprüchen dienten solche Embleme im Barock der moralischen Erbauung. Seine figürlichen Darstellungen halten in Verbindung mit Andrea Nyffelers Haikus keinen Zeigefinger auf, sind eher poetisch verspielt. Die Bild-Text-Rätsel halten eine wunderbare Balance zwischen Naivität und Tiefgründigkeit, lassen einen schmunzeln und weitersinnieren. Umso mehr als jedes der 200 hergestellten Bücher Haikus und Linolschnitte unterschiedlich kombiniert und sich damit die Frage stellt, was hier wirklich genau zu sehen ist und was wir selber darin erkennen wollen.

Im Treppenaufgang legt Andrea Gerber mit «15.08.2016/985 Minuten/69,59 Meter» die Strecke der Gratiszeitung «20min» aus. Indem der Bandwurm das Publikum dazu zwingt, Schritt für Schritt zu lesen, hinterfragt er selektive Querlesegewohnheiten und verleiht dem flüchtigen Inhalt dieser 20-Minuten-Ausgabe eine Wertigkeit, die über die Minutenangabe hinausreicht.

Dialog mit Aloe Vera
Können Pflanzen sprechen? Im Obergeschoss präsentiert Denise Kratzer mit «Sonus Planta» eine Cyborg-Pflanze. Wer über die Oberfläche der innerlich verdrahteten Aloe Vera streicht, erhält eine unmittelbare geräuschhafte Resonanz, was eine irritierende, unmittelbar emotionale Bindung herstellt. Die Wortakrobatin Heike Fieder lässt Worte in von Ton begleiteten Filmsequenzen ineinander überfliessen und subtile Bedeutungsverschiebungen durchlaufen.

Im Saal ist der mittlere Kronleuchter von einem bis zum Boden reichenden Schleier von langen dünnen Schnüren eingefasst. Sadhyo Niederbergers Arbeit «phtaloblau, hängend» schlägt 200 Werke Acryl auf Leinwand zu Faden und verwandelt sie zu einer fein gesponnenen und zugleich kraftvollen Skulptur. Costantino Ciervos zeigt in seiner siebenteiligen Videoinstallation «Global Gene» 7 Zungen genüsslich und schmatzend 21 Symbole in Zuckerguss von der Kameralinse lecken. Sei es ein Panzer, ein Dollarzeichen, eine Faust, stilisierte Strichfiguren oder ein Herz: Das Spannungsfeld von Erotik und Ekel, Lust und Widerwille macht sichtbar, wie unser Verhältnis zu Krieg, Geld, Macht, Gewalt, Familie und Liebe konsumistisch bis zur Inhaltsleere überzuckert ist. Durch die ganze Ausstellung ziehen sich die Einbände Edwin Heims, es sind wunderschöne Buchbinderarbeiten mit leeren Seiten, deren Form selbst zum Inhalt wird. Abgerundet wird die Ausstellung durch Exponate der Basler Gruppe Buch und Form. «Radiogramm» von Lucas Kunz verdrahtet einen realen Dialog aus dem Krieg und legt damit eine Zündschnur zum Publikum.