
Verkauf des Elektrizitätswerks: Ein Dorf unter Hochspannung
Strompreisgefälle zwischen Aarau und Kölliken
Die Stadt Aarau hält 95 Prozent der Aktien der Eniwa AG. Deshalb kritische Fragen zum geplanten Deal aus den Reihen der FDP im Aarauer Einwohnerrat: 12 Millionen Franken Kaufpreis seien sehr viel Geld für das Kölliker «Tafelsilber» … Weshalb ist angesichts der teuren Akquisition der Kölliker Strompreis massiv tiefer als jener in Aarau? So die Frage der FDP. Dazu der Aarauer Stadtrat: «Alle Kundinnen und Kunden der Eniwa in Aarau beziehen zu 100 Prozent erneuerbaren Strom aus Wasserkraft.» Ein Teil dieses Stroms werde im Eniwa-eigenen Aare-Kraftwerk produziert. «In Kölliken hingegen beträgt der Anteil erneuerbare Energie im Grundangebot derzeit 60 Prozent. Der Strom wurde bis anhin direkt am Markt beschafft.» Der Trost für die Aarauer : «Eine Preiserhöhung auf dem Strommarkt wirkt sich heute in Kölliken direkt und unmittelbar aus.» In Aarau hingegen sorge das eigene Kraftwerk und auch ein Alpiq-Partnervertrag für Stabilität, «allerdings auf einem derzeit leicht höheren Marktpreisniveau».
Die Eniwa AG – bis 31. Dezember 2017 Industrielle Betriebe Aarau AG (IBA) – will in Kölliken gross einsteigen. Die «Aarauer» sind bereit, für die Kölliker Stromversorgerin EWK Energie AG 12 Millionen Franken auf den Tisch zu blättern. Das ist ein stolzer Preis – belief sich doch das tiefste Angebot der Bieterrunde auf nur 5,26 Millionen Franken.
Dennoch: Die Kölliker Gemeindeversammlung hat am 24. November 2017 mit 94 zu 78 Stimmen nein zum Deal gesagt. Gegen diesen Entscheid wurde erfolgreich ein Referendum ergriffen – das am 4. März zur Volksabstimmung kommt.
Peter Rytz, Präsident der EVP-Ortspartei, ist einer der Koordinatoren des Referendumskomitees. Nein, von einem Bauchentscheid der Gemeindeversammlung spricht er nicht, aber von Emotionen. «Offenbar sieht der eine oder andere im Verkauf des EW die Aufgabe eines Stücks Kölliker Selbstständigkeit.» In Tat und Wahrheit ist es mit dieser im Bereich der Elektrizitätsversorgung nicht weit her. Seit 2013 zeichnet die damalige IBA für den Betrieb des Kölliker Ortsnetzes verantwortlich. «Was Kölliken verblieb, waren Investitionen und Risiken», sagt Rytz. Und er nennt den Netzunterhalt oder kostspielige Anpassungen, die mit Blick in die Zukunft für ein intelligentes Stromsystem notwendig werden. «Je kleiner das Netz eines Elektrizitätsversorgers ist, desto schwieriger wird für ihn die Zukunft.» Das beginne beim Personal. Wirklich selbstständige kleine Ortsnetze könnten sich beispielsweise keinen vollamtlichen Verwalter für das EW leisten. «Muss jemand zusätzlich als Bauverwalter tätig sein, bewerben sich kaum ausgewiesene Stromfachleute für die Stelle.»
In dieser Situation ist Kölliken dank seiner Anbindung bei der Eniwa AG (Eniwa steht für Energie, Netze, Installationen, Wasser, Aarau) nicht. Aber – so Rytz – der aktuelle Vertrag läuft aus, muss erneuert oder neu verhandelt werden. Für Rytz ein idealer Zeitpunkt für den Verkauf des Gemeindewerks. «Ob uns in ein paar Jahren wieder jemand 12 Millionen Franken bezahlen will, steht in den Sternen». Die Eniwa AG kenne das Kölliker Netz aus dem Effeff – deshalb gab sie das höchste Gebot ab. Dem Kölliker Gemeinderat sei es nicht nur gelungen, einen hohen Verkaufspreis auszuhandeln: Es wurde zudem vertraglich festgelegt, dass die Stromtarife in Kölliken für absehbare Zeit garantiert sind. Ein Durchschnittshaushalt bezahlt in Kölliken rund 200 Franken weniger für seinen Strom als die vergleichbare Familie in Aarau. Mit Blick auf die Zukunft ist Rytz – der höchsten Wert auf politische Ehrlichkeit legt – allerdings eher skeptisch: «In Aarau sind die notwendigen Investitionen in die Zukunft weiter fortgeschritten als in Kölliken. Bei uns besteht der bereits erwähnte Nachholbedarf».
Dennoch nicht genug des Guten: Ergänzend zum Kaufvertrag wurde ein neuer Konzessionsvertrag ausgehandelt. Dieser wird für eine Dauer von 25 Jahren abgeschlossen und beruht auf den heute geltenden Bedingungen. Durch die Weiterführung der Konzessionsabgaben bleibt der Ertrag von rund 240000 Franken für die Gemeinde auch in den kommenden Jahren im gleichen Umfang bestehen. Nach 25 Jahren ist der Vertrag zu erneuern. Alternativ besteht zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, die Anlagen zurückzukaufen. Die 12 Millionen Franken – so hat es der Kölliker Gemeinderat zugesichert – werden nicht in die allgemeine Gemeinderechnung fliessen, sondern sollen für «nachhaltige Projekte» Verwendung finden. Glauben muss man da gar nichts – denn, will der Gemeinderat in die neue Kasse greifen, müssen ihm das die Stimmbürgerinnen und -bürger über das Budget oder über einen Projektkredit bewilligen.