
Kofferträger im Einsatz: Sympathischer als jeder Lift
Die Kofferträger am Zofinger Bahnhof sind zu folgenden Zeiten anzutreffen:
Montag bis Freitag von 8 bis 11 Uhr und 16 bis 18.30 Uhr, Samstag bis Sonntag von 9 bis 12 Uhr und 16 bis 17.30 Uhr.
Mit einer orangefarbenen Leuchtweste bekleidet steht er bereit. Mit wachem Blick schaut er umher. Das Geräusch eines herannahenden Zuges dringt bis in die Bahnhofsunterführung. Er verlässt seinen gewohnten Posten auf dem Mittelplateau der Treppe, die neben dem Fahrstuhl in die Tiefe führt. Jetzt steht er unten bereit und nimmt die heraneilenden Passanten ins Visier. Da! Eine Frau mit einem grossen Koffer eilt in seine Richtung. Ehe sie es sich versieht steht er vor ihr. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. «Darf ich Ihnen das abnehmen?», fragt Gian-Luca Ritschart, einer von insgesamt drei Kofferträgern am Bahnhof in Zofingen freundlich. Erleichterung spiegelt sich im Gesicht der Passantin wieder. Ungern hätte sie den schweren Koffer selber die enge Treppe hinaufgeschleppt.
Seit dem 23. Dezember stehen die Kofferträger, angestellt durch das Arbeitslosenprojekt Chance Z!, bereits im Einsatz. Nachdem am 8. Juli die Bahnhofunterführung geflutet wurde, erlitt auch der Technikraum des Lifts einen Totalschaden. Seither müssen die Pendler Treppensteigen oder, wie es auf dem Plakat vor dem defekten Fahrstuhl heisst: «Bitte benutzen Sie in der Zwischenzeit den Lift beim Eingang Süd, auf der anderen Seite des Busbahnhofs.»
Von Tasche bis Kinderwagen
Vor allem ältere Menschen, Invalide mit ihren Krücken oder Mütter und Väter mit ihren Kinderwagen wussten den Lift zu schätzen. Den weiten Umweg bis zum Eingang Süd zu gehen ist mühsam. Da kommen die Helfer der Chance Z! gerade recht. Gian-Luca Ritschart hat schon Koffer, schwere Taschen und Kinderwagen mit und ohne Kind drin die steile Treppe hinaufgetragen. Durch die Skiferien kommen wohl bald Skier und Schlitten dazu. «Ich trage den Leuten gerne ihr Gepäck nach oben. Sie zeigen sich sehr dankbar», erzählt Ritschart.
Vor allem in der Weihnachtszeit waren die Pendler gütig und beschenkten die Kofferträger, die Stunden in der Kälte ausharrten mit einer warmen Mahlzeit. So hätte Ritschart schon Gipfeli aber auch einen gekochten Schinken geschenkt bekommen. Hin und wieder bieten die dankbaren Pendler auch etwas Trinkgeld an. «Das nehme ich aber ungern an», sagt Ritschart. «Immerhin werde ich für meine Arbeit ja bezahlt.» Die Dankbarkeit zu spüren sei dennoch schön. Ritschart trägt nicht nur Koffer und Kinderwagen, sondern kann die Reisenden als ehemaliger SBB-Mitarbeiter auch betreffend Fahrplänen kompetent informieren.
Kostenpunkt
Die Kosten dieses Projektes teilt sich die Stadt Zofingen mit der SBB. Diese war an einer Lösung für das Lift-Problem ebenso interessiert wie die Stadt, hatte selber aber keine personellen Ressourcen. Bauverwalter Werner Ryter spricht von einer «idealen Zusammenarbeit». Die SBB stellt den Kofferträgern Räumlichkeiten als Garderoben zur Verfügung, wo sie sich an besonders kalten Tagen aufwärmen können.
Auf die nicht ganz ernst gemeinte Frage, ob es dem Image der Stadt Zofingen nicht zuträglich wäre, ganz auf Kofferträger zu setzen statt auf einen neuen Lift, gibt Ryter lachend zu: «Das darf man natürlich nicht sagen, aber für die Volksgesundheit wäre Treppensteigen durchaus förderlich. Und angesichts der vielen positiven Rückmeldungen zu den sympathischen Kofferträgern, die Astrid Bujart, Leiterin Chance Z!, derzeit erhält, bereue ich es beinahe, dass der Lift Ende März schon repariert ist.» Etwas ernsthafter fügt Ryter hinzu, er sei glücklich, dass die Stadt nun mit der Chance Z! Kollaboration eine «einheimische» Übergangslösung gefunden habe mit der allen gedient sei.
Derweil eilt Ritschart bereits wieder die steilen Treppenstufen nach oben. Dort steht nämlich eine Mutter, die mit ihrem Kinderwagen nicht weiter weiss. Viel Zeit zu überlegen hat sie nicht, Ritschart hat den Kinderwagen bereits gepackt und ist auf dem Weg nach unten.
