«Es sind Leute wie du und ich, die bei uns landen – Arbeitslosigkeit kann jeden treffen»

«Es sind Leute wie du und ich, die bei uns landen – Arbeitslosigkeit kann jeden treffen», sagt Daniel Lerch, Betriebsleiter der Stiftung Wendepunkt in Oftringen und Rothrist. Im Juli des vergangenen Jahres hat sich das Sozialunternehmen mit Sitz in Muhen und verschiedenen Standorten im Aargau im Neubau der Schöni Transport AG in Rothrist eingemietet. Seither arbeiten dort rund 80 Personen – unter anderem Stellensuchende, Sozialhilfeempfänger und Asylsuchende – im zweiten, von der öffentlichen Hand subventionierten, Arbeitsmarkt. Das Ziel ist klar: «Wir wollen diesen Menschen Perspektiven vermitteln, ihnen Sinn und Wert aufzeigen und sie auf den Arbeitsmarkt vorbereiten», erklärt Peter Marmet, Leiter Fachbereich Beratung und Integration der Stiftung Wendepunkt in Oftringen und Rothrist.

Handarbeit zur Beschäftigung

Die Teilnehmer, die durch das Regionale Arbeitsvermittlungsamt, die Invalidenversicherung oder durch den Sozialdienst zugewiesen werden, erhalten vom Wendepunkt nicht nur Unterstützung beim Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen. Sie haben auch die Möglichkeit, Tätigkeiten zu verrichten. «Bei uns ist einiges bewusst Handarbeit, nur so können wir unsere Leute überhaupt beschäftigen und fördern», erklärt Daniel Lerch. Dazu zähle etwa das Falten von Verpackungsmaterial, das Zupfen von zu lang geratenen Borsten aus Zahnbürsten oder das Zusammensetzen mehrteiliger Weihnachtskarten.

Nebst der Mitarbeit in der Konfektionierung – dem Zusammensetzen verschiedener Einzelteile – bietet das Sozialunternehmen auch Tätigkeiten in der Logistik an. «Diese Möglichkeit hat sich erst durch den neuen Standort in Rothrist ergeben», erklärt Daniel Lerch und betont: «Für uns ist das eine ideale Lösung. Wir haben hier Trainingsmöglichkeiten, beispielsweise für Staplerfahrer.»

Der Groove des ersten Arbeitsmarkts

Im Erdgeschoss der Schöni Transport AG treffen der erste (reguläre) und der zweite Arbeitsmarkt schliesslich aufeinander. So sind bestimmte Rampen für die Stiftung Wendepunkt reserviert. Links und rechts davon spielt sich das «reale» Arbeitsleben ab. «Hier spüren die Klienten den Groove des ersten Arbeitsmarkts. Das ist wichtig, damit sie gut vorbereitet sind, wenn sie später einer solchen Arbeit nachgehen», sagt Peter Marmet. Beim Wendepunkt sei der Rhythmus weniger hoch getaktet als etwa im schnelllebigen Logistikerbusiness. So liegt es auf der Hand, dass das gemeinsame Arbeiten unter einem Dach die eine oder andere Herausforderung mit sich bringt: «Wir sind Firmen mit komplett unterschiedlichen Hintergründen. Hier in Rothrist sind zwei Kulturen aufeinandergeprallt», hält Lerch fest. Anfänglich habe das zu gewissen Reibungspunkten geführt, doch man tausche sich immer wieder aus und «über die letzten zwölf Monate hinweg betrachtet, können wir eine sehr positive Bilanz ziehen», so Lerch.

In der Gesellschaft spreche man zwar immer davon, dass sich die beiden Märkte annähern sollen, es werde aber noch zu wenig umgesetzt. «Oft sind gewisse Hemmschwellen vorhanden oder der Leistungs- bzw. der Wettbewerbsdruck zu hoch. Wenn alle Firmen sagen, dass sie Mitarbeiter brauchen, die 100 oder gar 120 Prozent leisten, dann sind unsere Klienten noch schwieriger integrierbar», betont Daniel Lerch. Zwar würden bereits einzelne externe Firmen mit ihnen zusammenarbeiten, aber es brauche noch mehr Unternehmen, die sozial eingestellt seien.

Projekt für Langzeitarbeitslose

Nebst verschiedenen Programmen und Massnahmen zur vorübergehenden Beschäftigung hat die Stiftung Wendepunkt im April in Rothrist ein neues Projekt für Langzeitarbeitslose lanciert. «Es ist speziell für Leute gedacht, die schon lange zu Hause sitzen und keine Arbeit finden. Und das, obwohl sie fit wären und arbeiten könnten», sagt Marmet und betont: «Es ist eine Klientel, die uns am Herzen liegt. Oft sind das Menschen, die nur ein kleines Beziehungsnetz haben und deshalb dankbar sind, dass sie hier arbeiten und Kontakte pflegen dürfen.» Im Wendepunkt erhalten sie eine Tagesstruktur, können anspruchsvolle Tätigkeiten verrichten und innerhalb des Teams Eigenverantwortung übernehmen. Rund 20 Teilnehmer, die von der Sozialhilfe vermittelt werden, machen beim Pilotprojekt mit. Noch hat die Stiftung den Wunschsollbestand von 30 Personen nicht erreicht. Doch Daniel Lerch versichert: «Wir sind auf gutem Weg.»