Verlagert sich Ländiweg-Szene in die städtischen Quartiere?

Gestern um 9 Uhr morgens: Auf dem vorderen Bänkli vor dem Spielplatz am Theodor-Schweizer-Weg sitzt ein Schweizer mittleren Alters und trinkt sein Denner-Bier. Zuerst zeigt er sich noch gesprächig, sagt dann aber plötzlich nichts mehr, als ich mich als Journalist oute und frage, ob er sich früher auch beim Ländiweg aufgehalten habe. Seine Antwort, die er auf Nachfragen mehrmals wiederholt: «Wer viel fragt, ist dumm.»

Seit die Kantonspolizei ihre Patrouillentätigkeit beim Ländiweg intensiviert hat, haben die Ordnungshüter zwar den Hotspot laut eigenen Angaben im Griff, doch die dortige Szene soll sich zum Teil ins Quartier verlagert haben. Das zumindest behauptet Urs Amacher, der im Säliquartier wohnt und dessen Weg in die Innenstadt am oben genannten Spielplatz mit den beiden Bänkli vorbeiführt. «Das, was die Kantonspolizei und der Stadtrat mit der angekündigten Videoüberwachung am Ländiweg machen, ist Symptombekämpfung – und dies erst noch zulasten der Quartierbewohner.» Er habe in den letzten Monaten beobachtet, dass sich vor allem Jugendliche und junge Männer auf den Bänkli am Theodor-SchweizerWeg, aber ebenfalls auf jenen beim Spielplatz Trottermatte ausgebreitet hätten und dort ihre Joints rauchen und ihren Abfall hinterlassen würden. Auch der frühere Parlamentarier und Quartierbewohner Christian Ginsig hat bemerkt, dass sich bei beiden Spielplätzen «manchmal Personen aufhalten, die keine Kinder haben und Marihuana rauchen». Zudem liege immer wieder Abfall herum. «Das ist schade.» Der Vater einer bald dreijährigen Tochter stört sich aber nicht daran, solange sein Nachwuchs ungestört spielen kann. Er hält sich beim Urteil zurück, ob die Personen tatsächlich vom Ländiweg wegen vertrieben worden sind.

Dass sich mit den intensivierten Patrouillentätigkeit der Kantonspolizei am Ländiweg die Szene rund um den Bahnhof verlagert haben könnte, streitet Sozialdirektorin Marion Rauber nicht ab. «Die Menschen lösen sich nicht in Luft auf.» Sie bezweifelt aber, ob die Leute wirklich den Weg in die Quartiere auf sich nehmen. Auch die Kantonspolizei stellt «keine spürbare Verlagerung in die Quartiere fest». Durch die Nähe der Suchthilfe Olten Ost könne es vorkommen, dass sich Randständige in der Region um den Bahnhof aufhielten. «Das ist aber keine neue Situation in der Stadt», schreibt der Mediendienst. Zudem seien die Kontrollen am Ländiweg zusätzlich zu den bestehenden Patrouillen in den Quartieren erfolgt. «Die Kantonspolizei ist in regelmässigen Abständen in allen Quartieren präsent.»

Junge SP gegen Videoüberwachung
In einer Stellungnahme kritisiert die Junge SP Region Olten den Stadtrat für die angekündigte Videoüberwachung am Ländiweg (wir berichteten). Die Partei vermutet, dass die Videoüberwachung hauptsächlich ein Thema geworden sei, weil «nebst der subjektiven Sicherheit vor allem die Vereinfachung der Arbeit der Kantonspolizei im Vordergrund steht». Die Junge SP hält es für fragwürdig, ob die Einschränkung der Aufenthalts- und Bewegungsfreiheit der Oltner auf der Basis von subjektiven Sicherheitsgefühlen gerechtfertigt werden könne. Das Sicherheitsgefühl müsse man vielmehr durch «bauliche Massnahmen» fördern.

Nebst der Videoüberwachung hat die Stadt auch bauliche Massnahmen beim Ländiweg ins Auge gefasst. Diese könnten indes erst nach 2019 umgesetzt werden, weil der Kanton den Bahnhofquai, die Strasse zwischen Bahnhofplatz und Postplatz, erst dann zu sanieren beginnt und die darunterliegende Stützmauer durch eine Bohrpfahlwand austauscht (wir berichteten). Stadträtin Rauber möchte ferner auf die aufsuchende Sozialarbeit setzen, um die öffentliche Sicherheit nicht nur am Ländiweg, sondern generell in der Stadt zu verbessern. Auf Anfrage betont der städtische Rechtskonsulent Patrik Stadler, dass die Videoüberwachung so ausgestaltet wird, dass «die Persönlichkeitsrechte so wenig wie möglich eingeschränkt respektive nicht berührt werden».