
Zofinger Textilfirma klaut Scherenschnitt-Motiv von Ostschweizer Künstlerin
von Janine Gloor, az Aargauer Zeitung
Jolanda Brändle fertigt seit 20 Jahren in Feinstarbeit Scherenschnitte an. Die Kunstwerke in schwarz-weiss zeigen traditionelle Motive: Kühe auf Alpaufzügen, Hühner, Chalets. Aus dem Hobby wurde ein Business: Brändle verkauft in ihrem Laden «Schererei» im St. Gallischen Mosnang von Etuis über Schürzen zu Bettwäsche verschiedenste Produkte mit ihrem Design. 2012 erlangte die Toggenburgerin nationale Bekanntheit, als sie das Olma-Plakat designte.
Ihr Prunkstück ist ein Scherenschnitt, den sie in über 60 Stunden Arbeit erschaffen hat. Auf diesem gibt es vieles zu entdecken: Zwischen Bergen und Bäumen und Seilbahnen tummeln sich Wanderer, gehörnte Ziegen und die obligaten Kühe. In der Mitte prangt ein Chalet.
Dieses Design ist so beliebt, dass Johanna Brändle es auf Stoffbahnen drucken liess und an Nähateliers verkauft. Anfang Jahr merkte sie, wie das Geschäft sich verschlechterte. Die neunfache Mutter dachte sich nicht dabei. Doch dann fand sie heraus, dass ein Stoffladen aus Zofingen Bahnen mit ihrem Muster verkauft. Ihr Ärger war gross.
Geschäftsführer weist Schuld von sich
Jolanda Brändle kontaktierte die Zofinger Firma mit dem Namen Novitex Fashion AG und ihr Ärger wurde noch grösser. Der Geschäftsführer Andreas Sprecher habe abschätzig reagiert und jede Ähnlichkeit der Stoffe von sich gewiesen, sagte Brändle gegenüber dem St. Galler Tagblatt. Sprecher bestand darauf, dass Jolanda Brändle das Recht an den Stoffen verloren hatte, da seine Firma das Design abgeändert hatte. Der Gipfel der Dreistigkeit: Sprecher habe ihr sogar angeboten, von den Stoffen zu bestellen.
In ihrer Verzweiflung wandte sich Brändle an den Kassensturz, der das Thema in der Sendung aufnahm. In einem Vergleich stellte der Kassensturz zunächst fest, dass sich die Stoffe von Jolanda Brändle und der Firma Novitex nur in Details voneinander unterscheiden. So wurde beispielsweise das Chalet ausgewechselt. Pikant: Auch dieses wurde von einem bereits bestehenden Design geklaut.
Auch bei der Konfrontation durch den Kassensturz war sich Novitex-Geschäftsführer Andreas Sprecher keiner Schuld bewusst. «Wir haben etwas aus dem Internet genommen und verändert und somit bin ich davon ausgegangen, dass es nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist», sagte er.
Urheberrecht wurde verletzt
Der vom Kassensturz befrage Anwalt Florian Schmidt-Gabain sieht das anders: «Der individuelle Charakter des Originals bleibt beim Imitat grösstenteils erhalten.» Die Kopierer hätten sich mehr als nur inspirieren lassen. Er sieht eine Verletzung der Urheberrechte von Jolanda Brändle. Jolanda Brändle fordert von der Firma, die Produktion sofort zu stoppen und sie als Urheberin zu entschädigen. Gemäss dem St. Galler Tagblatt habe sich die Novitex AG mittlerweile bereit erklärt, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Hier der Link zum Kassensturzbeitrag: https://www.srf.ch/play/tv/kassensturz/video/dreister-stoffhaendler-beklaut-kuenstlerin-streit-ums-design?id=01b6e0f9-88aa-414c-b97a-1cf4553939e5