
«Naturnah kann sehr stylish daherkommen» – Thomas Baumann im Interview
Thomas Baumann setzt sich für mehr Grünflächen im Siedlungsraum ein. Im Gespräch erklärt er, welchen Beitrag Private und Gemeinden leisten können – und was es mit der Rasenmäher-Mentalität auf sich hat.
Es ist kein Geheimnis, dass attraktive Naturräume und Erholungslandschaften die Lebensqualität steigern. Thomas Baumann (56), Leiter Naturförderung Naturama, setzt sich aktiv dafür ein, die Grünflächen im Siedlungsraum zu fördern. Anlässlich eines Gemeindeseminars in Vordemwald zeigt er zusammen mit anderen Experten auf, wie mit einfachen Massnahmen die Natur gefördert werden kann.
Taten statt Worte sind wichtig. Wie kann man als Privatperson einen Beitrag zur Erhaltung und Förderung der heimischen Natur im Siedlungsraum leisten?
Sich im Umfeld für die Natur einzusetzen, ist wichtig und es kann im ganz Kleinen einen grossen Wert haben. Ich empfehle etwa, das Blumenkistli auf dem Balkon mit Kies zu füllen und Ruderalpflanzen – wie Natternkopf, Reseda oder Kornblumen – einzusäen. Diese besiedeln unter anderem Schutt- und Trümmerplätze sowie steinige Böschungen. Eine andere Möglichkeit ist, im Herbst den Laubhaufen im Garten zu belassen, statt der Kompostabfuhr mitzugeben. Für viele Tiere sind sie eine notwendige Überwinterungshilfe. Beispielsweise auch für die Igelfamilie, die im nächsten Frühjahr im Garten auf Erkundungstour geht und alle Hausbewohner erfreut. Jede noch so kleine Fläche, die aufgewertet wird, trägt dazu bei, dass unser Umfeld interessanter, lebenswerter wird. Das kann im eigenen Garten, am Arbeitsort oder in der Gemeinde sein.
Die Gemeinde ist ein gutes Stichwort. Inwiefern haben die Kommunen Möglichkeiten, die Qualität für Mensch und Natur auf lokaler Ebene zu fördern?
Mit einer fortschrittlichen Bau- und Nutzungsordnung kann eine gute Grundlage für das Zusammenleben von Mensch und Natur im Siedlungsgebiet geschaffen werden. Damit eine funktionierende Wasser oder Strominfrastruktur gewährleistet ist, werden beim Bauen sehr strikte Vorgaben gemacht. Zu Recht wenn man die Zuverlässigkeit unserer Energie und Wasserversorgung betrachtet. Bei der Gestaltung der Grün- und Freiflächen hingegen kann jeder machen, was er will. Aus Unwissenheit entstehen dann Geröllhalden mit chinesischem Granit statt Grünflächen, die unser Baugebiet lebenswert für Mensch und Natur machen.
Was erwarten Sie von den Gemeinden konkret?
Dass Sie als Vorbild auftreten, die öffentlichen Flächen naturnah gestalten und pflegen und die Anwohner dafür sensibilisieren können.
Sie schreiben den Gemeinden also eine Schlüsselrolle zu, wenn es um Natur im Siedlungsraum geht?
Die Gemeinden haben mit ihren Werkhöfen oder Bauämtern engagierte Leute mit einem grossen Wissen. Zudem verfügen sie über eine ausgezeichnete Infrastruktur zur Pflege von öffentlichen Grünflächen. Das Potenzial muss besser genutzt werden im Sinne der Förderung von Tieren und Pflanzen im Baugebiet. Dort können rund 2500 heimische Tier- und Pflanzenarten vorkommen.
Sie sind auch überzeugt, dass Kommunen mit der naturnahen Anlage Geld sparen können. Inwiefern?
Naturnah heisst nicht einfach nichts machen. Naturnah kann sehr stylish und gepflegt daherkommen. Aber mit der Aufwertung von öffentlichen Grünflächen muss immer auch eine rationelle Pflege angestrebt werden. Und da bestehen oft noch sehr viele Möglichkeiten. Ein Beispiel aus der Pflege: Statt das Schnittgut bei der Heckenpflege aufwendig abzuführen, kann vor Ort ein Asthaufen zurechtgesägt werden.
Wie viel Geld kann effektiv eingespart werden?
Sehr viel.
Es gibt viele Möglichkeiten, wie man Natur fördern kann. Worin liegt die grösste Herausforderung?
Die Rasenmäher-Mentalität: Ein geschnittener, unkrautfreier Rasen ist Symbol für ordentlich, arbeitsarm und doch grün. Und so sehen dann auch die meisten Grünflächen aus. Aber das Bild trügt: Dieser «Pützligeist» schafft teure, langweilige und arbeitsintensive Fläche, wo auch unsere Fauna und Flora kein Auskommen mehr hat. Haben Sie gewusst, dass eine Rasenfläche, die wöchentlich geschnitten wird, viel teurer ist als eine Blumenwiese? Und das sind erhärtete Zahlen. Rasen hat eigentlich – neben den Kosten – nur dort eine Berechtigung, wo Sport betrieben wird.
Was wünschen Sie sich künftig?
Dass naturnah und Grünflächen kein Widerspruch sind und spannende Naturerlebnisse im Siedlungsgebiet. So sollen Edelkrebse etwa in Vordemwald an allen Ecken möglich sein. Mir ist es aber auch ein Anliegen, dass sich die Bevölkerung in die Gestaltung der Umgebung des Gemeinde- oder Schulhauses einmischt und sich für naturnahe Rabatten statt Exotenwüsten einsetzt. Das hilft etwa auch unseren Gartenvögeln, die uns dann wieder mit ihrem Gesang erfreuen.