
Wer nicht wählt, macht sich unfrei
Chefredaktor Philippe Pfister über Stimmbeteiligungen bei Wahlen und Abstimmungen.
Einer der wichtigsten Texte, die ich immer wieder zur Lektüre empfehle, können Sie von jedem Smartphone aufrufen: die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Einer der zentralsten Sätze steht in der Präambel. Er lautet: «Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht.»
Auf den ersten Blick ein einfacher Gedanke, gewiss. Aber gleichzeitig ein tief wahrer und unglaublich kraftvoller Gedanke: Freiheit, gleich welcher Art, ist niemals garantiert. Etwas salopper formuliert hätten unsere Verfassungsväter auch hinschreiben können: Wenn ihr eure Freiheiten als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht lebt, dann ist eure Freiheit schon dahin. Die Erwähnung der Freiheit in unserer Verfassung ist also mit einer deutlichen Aufforderung und Warnung zugleich verbunden. Anderen Verfassungspräambeln, zum Beispiel der deutschen, fehlt diese Dimension. Dort heisst es: «Die Deutschen (…) haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet.»
Warum ich das an dieser Stelle erwähne? In rund zwei Wochen stimmen wir über das Energiegesetz ab. Und falls Sie in Zofingen, Aarburg oder Oftringen stimmberechtigt sind, wählen Sie am 21. Mai die Gemeinde- und Stadträte neu. 2005 gingen bei den Stadtratswahlen in Zofingen knapp 49 Prozent der Stimmberechtigten zur Urne, vier Jahre später waren es magere 34 Prozent, 2013 immerhin wieder 45 Prozent. Wenn sich die Reihe am 21. Mai fortsetzt, wird also wiederum eine Minderheit darüber befinden, wer in den nächsten vier Jahren an den wichtigsten Schalthebeln in der Stadt sitzt.
Dass ein Wahlkampf kaum spürbar ist, heisst nicht, dass grosse Herausforderungen anstehen: Was heisst qualitatives Wachstum genau – und wie wird es umgesetzt? Wie hält die Verkehrsplanung der Entwicklung Schritt? Was gehört zu den Zentrumsfunktionen der Stadt – und was nicht?
Falls Sie den Stimm- und Wahlzettel schon ausgefüllt haben – wunderbar. Falls er im Altpapier oder sonst wo unterzugehen droht, hilft vielleicht der Hinweis auf unsere Bundesverfassung: Was da weggeworfen wird, ist ein grosses Stück Freiheit.