
Wegen «Delta» erkranken selbst doppelt Geimpfte häufiger – in der Schweiz sind 246 Fälle bekannt
Immer mehr Fälle von komplett Geimpften, die an Corona erkranken, werden publik. Zum Beispiel aus England, Singapur oder Israel, wo die Delta-Variante schon länger kursiert. In der Schweiz wurden seit Impfbeginn 246 vollständig Geimpfte gemeldet, die erneut an Corona erkrankten, zudem 208 Fälle von Erstgeimpften, wie das BAG auf Anfrage mitteilt.
Gegenüber «Delta» ist der Impfschutz der mRNA-Impfungen tiefer als die 94 und 95 Prozent für die ursprüngliche Virusvariante. Das israelische Ministerium vermutet eine Impfwirksamkeit bei Biontech/Pfizer von nur noch 64 Prozent. Dies wurde von verschiedenen Forschern angezweifelt.
Allerdings zeigt sich bei entdeckten Infektionsketten aus Singapur ein ähnliches Bild: 255 waren ungeimpft, 45 einfach geimpft und 120 komplett geimpft. Die Impfung hat das Erkrankungsrisiko also nur halbiert. Immerhin waren die Krankheitsverläufe der Geimpften meist harmlos. Von den drei Toten waren alle ungeimpft und von den 23 Patienten, die auf die Intensivstation eingewiesen werden mussten, war nur einer doppelt geimpft. Geimpfte waren seltener Superspreader – aber es kam vor.
Der Schutz vor einem schweren Verlauf hält länger an
Möglich wäre auch, dass der Impfschutz nach einem halben Jahr doch langsam nachlässt. Viele Forscher gehen jedoch davon aus, dass der Schutz für einen schweren Verlauf viel länger anhält. Die US-Behörden haben deshalb den Impfstoffherstellern für eine Auffrischungsimpfung vorerst eine Absage erteilt.
Dass der Anteil an Geimpften bei den neuen Fällen steigt, hat noch einen anderen Grund. Das Gesundheitsamt der kanadischen Provinz Ontario hat die Coronafälle seit dem 14. Dezember untersucht: Von über 400’000 Infektionen bis am 26. Juni waren 4 Prozent teil-geimpft und 0,4 Prozent komplett geimpft.

Nun, da ein viel höherer Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist, hat sich ihr Anteil auch unter den Infizierten vergrössert. Das bedeutet nicht, dass die Impfungen weniger wirksam werden: Das Virus findet einfach immer weniger Ungeimpfte – aber mehr Geimpfte, die eben manchmal trotzdem erkranken.
Wenn nun die Infektionszahlen wegen der Delta-Variante wieder ansteigen, zeigt sich der Impfeffekt trotzdem deutlich: Die Spitaleinweisungen steigen gleichzeitig nur wenig an.
Die Wirkung der Impfung sinkt mit dem Alter
Obwohl auch in Kanada viele der Senioren geimpft sind, treffen die Spitaleinweisungen immer noch hauptsächlich sie. Geimpfte wie auch Ungeimpfte. Denn der Impfschutz nimmt mit dem Alter ab. In der Altersgruppe der hospitalisierten 70- bis 79-Jährigen beispielsweise ist die Zahl der Ungeimpften und Teil-Geimpften «nur» doppelt so hoch wie jene der komplett Geimpften. Und ähnlich sind die Relationen bei den Todesfällen: Auch geimpfte Senioren sind betroffen, aber um die Hälfte weniger häufig.
Nun wird darüber diskutiert, wie sich die impfunwilligen Jungen motivieren lassen, die nach einer Infektion von Long Covid betroffen sein können. Und ob die Spitäler wieder an ihre Belastungsgrenze kommen, weil die Senioren nicht genug geimpft sind. Auch der Impffortschritt bei den 50- bis 70-Jährigen spielt eine Rolle, da ein Drittel der Hospitalisierten bisher aus dieser Alterskategorie stammten.
Zur Impfquote müsste man auch Genesene rechnen
Am Ende entscheidet die Impfquote der ganzen Bevölkerung, ob das Virus weiter kursiert. Und nur so werden jene geschützt, bei denen die Impfwirksamkeit tief ist, weil ihr Immunsystem künstlich gedämpft ist wie nach einer Organtransplantation.
Etwas wurde bisher allerdings nicht berücksichtigt bei der Impfquote: Der Anteil jener, der sich nicht impfen lässt, weil sie Genesen sind. Nicht alle dürften eine Impfung als Booster machen. Genesen von der ersten Virusvariante oder der Alpha-Variante sind rund 25 Prozent in der Schweiz. Auch bei ihnen ist eine Zweitinfektion mit «Delta» nicht ausgeschlossen – aber ein schwerer Verlauf weniger wahrscheinlich.