
Jungbauer: «Mir ist wichtig, dass die Bevölkerung das richtige Bild von uns hat»
Wer entlang der Hauptstrasse von Ehrendingen nach Freienwil fährt und genau hinschaut, sieht schon vereinzelt rote Punkte auf den Feldern direkt neben dem Bauernhof der Familie Frei. Gabriel Frei läuft durch die Reihen mit Erdbeerpflanzen dicht an dicht. Hin und wieder dreht er eine Beere um. Auf der Unterseite sind die meisten noch grün. «Noch einen Tag Sonne, dann können wir das Erdbeerfeld öffnen», sagt der zweitälteste von drei Geschwistern.
Vor knapp einem Jahr hat sich der 21-Jährige für die Lehre zum Landwirt entschieden, als Zweitausbildung nach dem KV. Er sagt:
«Direkt nach der Schule hätte ich mir nicht vorstellen können, Bauer zu werden.»
Die Umstellung zum Schulalltag sei zu gross gewesen. «Ich sage immer, es gibt zwei Sorten von Bauernkindern», erklärt Frei. «Die, die sich nach Schulschluss direkt in die Arbeit auf dem Hof stürzen. Und die, die zuerst die Hausaufgaben erledigen oder Kollegen treffen.» Er habe zur zweiten Sorte gehört.
Respekt vor den grossen Investitionen als Landwirt
Dass der Ehrendinger nach dem «KV als Grundgerüst» eine weitere Ausbildung anhängen würde, war ihm schon früh klar. Informatik oder Landwirtschaft? Die Entscheidung hat sich nach dem Militärdienst aufgedrängt. Informatik, weil Frei schon seit der Schulzeit gerne an Computern herumschraubt und Websites bastelt. Der Onlineauftritt des Hofladens seiner Eltern war das erste grosses Projekt. Inzwischen betreibt er hobbymässig ein kleines Ein-Mann-Unternehmen und bietet seine Dienste Bauernfamilien und anderen Kleinunternehmen an.
«In der Landwirtschaft hatte ich vor allem Respekt vor den grossen Investitionen», sagt Frei. Für das Hobbyunternehmen sei die teuerste Anschaffung sein Laptop. Damit der Landwirt heute arbeiten kann, brauche es wesentlich mehr. Er sagt:
«Bei uns muss ein Traktor 15 bis 20 Jahre funktionieren, damit sich der Kauf lohnt.»
Wenn die Eltern den Kauf einer neuen Maschine planten, sei es schon vorgekommen, dass sie am Familientisch gefragt haben: «Und, was macht ihr später damit?»
Trotzdem entschied sich der 21-Jährige für die Landwirtschaft. Der vielfältige Arbeitsalltag – so wie er ihn auf seinem Elternhof kennen gelernt hat – habe den Ausschlag gegeben. Frei sagt: «Wir haben von allem ein bisschen: Obstbau, Ackerbau, Hühner und Mutterkühe.» Während im Hühnerstall das ganze Jahr die gleichen Arbeiten anfielen, heisse es jetzt bei den Erdbeeren drei Wochen Vollgas geben. Oder es passiert ein Unglück wie vor drei Jahren: «Wir hatten das Erdbeerfeld den ersten Tag geöffnet. Am Abend kam der Hagel. Fünf Minuten – und die ganze Ernte war zerstört», erzählt er und gestikuliert dabei mit den Händen.
Das sei zwar nicht schön, aber die Natur zu beobachten und mit ihr zusammenzuarbeiten, fasziniere ihn. Der Jungbauer sagt:
«Faktoren, die man nicht beeinflussen kann, machen den Beruf spannend.»
Die praktische Ausbildung macht Frei nicht auf dem Elternhof, sondern auf einem Lehrbetrieb in Bertschikon im Zürcher Oberland. Zwei Wochen am Stück ist er dort. Dann verbringt er drei Tage zu Hause. Einen Tag pro Woche drückt er die Schulbank. Bis zum zweiten Lehrjahr sitzen Lernende von konventionellem und biologischem Landbau zusammen im Unterricht. Die verschiedenen Möglichkeiten im Plenum zu diskutieren, gefällt Frei.
Der Hobby-Informatiker interessiert sich besonders für den Fortschritt, den die Digitalisierung bringt. Im Cockpit des grössten der vier Traktoren sitzend, zeigt er auf einen Monitor und drückt ein paar Knöpfe, bis ein Bild von einem Feld erscheint: ein GPS-Lenkungssystem. «Damit können wir zentimetergenau säen, düngen und spritzen», so Frei. Nächstes Jahr möchte er den Vater überzeugen, die Erdbeersetzlinge mit GPS auszubringen – zum ersten Mal. Mit der schnurgeraden Linienführung hätten vielleicht drei Reihen mehr Platz, so der Jungbauer.
Kommentare auf Onlineportalen haben den Jungbauern getroffen
Der technische Fortschritt in der Schweiz sei jedoch langsamer als im Ausland, betont Frei. In Ländern wie Kanada ersetze man Maschinen öfter, weil die bewirtschaftete Fläche um ein Vielfaches grösser sei. Trotzdem: «Das Bild der Landwirtschaft entwickelt sich – auch hier», so der 21-Jährige. Dass offenbar viele Leute diesen Wandel nicht wahrnehmen, habe ihn bei der Debatte um die Agrarinitiativen am meisten getroffen.
Beim Lesen von Kommentaren auf Onlineportalen habe er sich gedacht: «Was? Das machen wir schon seit Jahren nicht mehr so.» Er sagt: «Mir ist wichtig, dass die Bevölkerung das richtige Bild von uns hat.» Sein heutiges Outfit habe er deshalb bewusst gewählt: ein Edelweisshemd und darüber eine sportliche Kapuzenjacke.