
Löst die Impfung bei Teenagern heftigere Nebenwirkungen aus? Die wichtigsten Antworten zur neuen Strategie
In Deutschland dürfen ab heute Kinder ab 12 Jahren mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft werden. Wann wird das in der Schweiz möglich sein?
Die Arzneimittelbehörde Swissmedic hat den Impfstoff Comirnaty von Pfizer zugelassen. Der Impfstoff habe bei der Altersgruppe zwischen 12 und 16 Jahren eine Wirksamkeit von gegen 100 Prozent gezeigt. Die Eidgenössische Impfkommission (EKIF) wird nun darüber entscheiden, ab wann Teenager auch in der Schweiz geimpft werden können. Dieser Entscheid wird gemäss dem Präsidenten der EKIF Christoph Berger in der zweiten Junihälfte erfolgen.
Haben Teenager nach der Impfung höhere Nebenwirkungen?
Ja, während 16 Prozent der Erwachsenen nach der zweiten Dosis von Biontech/Pfizer leichtes Fieber bekommen, sind es bei den Teenagern 20 Prozent. Und auch Kopfweh oder Müdigkeit gibt es laut der Zulassungsstudie bei den Teenagern rund 10 Prozent öfter als bei Erwachsenen.
Wie lange dauern die Nebenwirkungen an?
Pfizer/Biontech weist die Dauer nur für Einstichstellenschmerzen und Schwellungen aus. Sie ist bei allen Altersgruppen fast gleich lang: Bei den Erwachsenen dauerten die Einstichstellenschmerzen durchschnittlich 2,5 Tage, bei Teenagern 2,4 Tage.
Was ist mit den ernsthaften Nebenwirkungen?
Sowohl bei den Erwachsenen wie auch bei Teenagern kommen laut Pfizer/Biontech ernsthafte Nebenwirkungen bei 0,4 Prozent aller Geimpften vor in der Zeitdauer vom ersten Tag bis hin zu 30 Tagen nach der zwetien Dosis. In der Placebo-Gruppen, deren Spritzen kein Impfstoff enthielten, ist ein Unterschied erkennbar: 0,1 Prozent der vermeintlich geimpften Teenager meldeten ernsthafte Symptome gegenüber 0,3 Prozent Erwachsenen. Als ernsthafte Symptome gelten solche, wegen denen die Geimpften ins Spital müssen, die lebensbedrohlich sind oder oder Langzeitfolgen haben.
Wer leidet häufiger an Symptomen, die nichts mit der Impfung zu tun haben?
Offenbar spielt die Erwartungshaltung der Altersgruppen eine Rolle: 40 Prozent der Teenager, aber nur 23 Prozent der Gruppe 56+ fühlten sich nach der ersten Impfung müde. 1,1 Prozent der Teenager meldeten leichtes Fieber – gegenüber 0,4 Prozent der Gruppe 56+. Auch Kopfweh meldeten die vermeintlich geimpften Teenager doppelt so häufig wie die älteren Erwachsenen (35 % gegenüber 18%). Die Altersgruppe 18- bis 55-Jährige liegt jeweils im Zwischenbereich.
Wie viel schlimmer ist die zweite Impfung?
Teenager wie auch Erwachsene meldeten in der Zulassungsstudie von Biontec/Pfizer nach der zweiten Dosis weniger oft Schmerzen an der Einstichstelle. Müdigkeit und Kopfweh gab es etwas häufiger. Fieber kommt bei allen Altersgrupppen nach der zweiten Dosis deutlich häufiger vor.
Warum sollten sich Jugendliche impfen lassen?
Zu deren eigenem Schutz, sagt Christoph Berger. Die aktuellen Daten zeigen, dass es in dieser Altersgruppe gleich viele Infektionen gibt wie bei den Erwachsenen. Diese verlaufen in den allermeisten Fällen nicht schwer, das Risiko einer Intensivbehandlung ist sehr klein, aber nicht gleich null. Und auch wenn Teenager nicht schwer erkranken, gibt es Daten, die zeigen, dass diese trotzdem langfristig unter der Corona-Infektion leiden können. Das Monitoring der Universität Zürich von Milo Puhan im Rahmen des Projekts «Ciao Corona» hat gezeigt, dass dass zwei Prozent der Infizierten Jugendlichen Symptome haben, die Long Covid zugeschrieben werden können.
Wie trägt die Teenager-Impfung zur Verhinderung einer nächsten Pandemie-Welle bei?
Die amerikanischen Kinderärzte betonen, dass mit der Impfung von Jugendlichen und später auch von Kindern die Gesundheit der breiten Bevölkerung geschützt wird. Denn nicht die geimpften, älteren Risikopersonen sind Menschen mit vielen Kontakten, sondern die Jungen. Deshalb verbreiten diese das Virus sogar mehr als die Alten. Immunisiert werden sollen also auch jene, die viele und ungeschützte Kontakte haben. Das sind die vor allem auch die Jugendlichen, die auch asymptomatische Coronainfektionen haben und das Virus somit verbreiten, ohne von der Ansteckung zu wissen. «Mit der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung sieht man einen Rückgang der Fallzahlen in allen Altersgruppen, auch bei den Kindern, die ja nicht geimpft wurden», sagt Daniela Niederer vom Ostschweizer Kinderspital.
Mit der zusätzlichen Impfung der Jugendlichen werde auch der direkte und indirekte Schutz der besonders gefährdeten Personen optimiert sowie die Hospitalisationszahlen und Todesfälle reduziert, was ja die Hauptziele der Impfung seien, sagt die Kinderinfektiologin. «Es ist zu erwarten, dass eine impfbedingte Reduktion von Transmissionen in der Gesellschaft zu geringerer Krankheitslast für alle führt», schreibt die deutsche Gesellschaft für Pädiatrie und für pädiatrische Infektiologie.
Die deutsche Impfkommission Stiko hat die Teenagerimpfung ab 12 trotz der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde noch nicht empfohlen, weil die Datenlage aus der Zulassungsstudie zu dünn sei. Was sagt die Eidgenössische Impfkommission dazu?
«Die Probanden-Zahl in der Zulassungsstudie ist nur ein Aspekt unter vielen», sagt dazu Daniela Niederer, Infektiologin am Ostschweizer Kinderspital. Die Zahl an Probanden sei zwar effektiv nicht so gross gewesen wie in der Zulassungsstudie für Erwachsene. «Aber es waren immerhin über 2000 Kinder zwischen 12-15 Jahren eingeschlossen». Aus Sicht der Swissmedic bedeutet die Zulassung, dass die definierten Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit für den Impfstoff in den Zulassungsstudien erfüllt seien. Das ist nach Niederer aber nicht «automatisch» mit einer Impfempfehlung gleichzusetzen, was für grundsätzlich für alle Impfstoffe gelte. Neben der Zulassung braucht es eine Impfempfehlung und für die müssen in jedem Fall noch weitere Aspekte wie beispielsweise das Risiko der Erkrankung, die Infektiosität, die Epidemiologie berücksichtigt werden. Das werde die Impfkommission nun genau prüfen und dann entscheiden.