
Frust für Swiss-Passagiere: Es droht ein Chaos-Sommer am Flughafen
Mindestpreise für Flugtickets? Ex-Swiss-Chef ist dafür
Die internationale Luftfahrt ist seit Jahren von einem massiven Preiskampf geprägt. Billigairlines wie Easyjet, Ryanair oder Wizz Air haben das Preisgefüge durcheinandergewirbelt – und so den Massentourismus angeheizt. Kein Wunder, wurden die Airlines in der Klimadebatte zur beliebten Zielscheibe. In Deutschland hat sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nun gar für eine Preisuntergrenze bei Flügen ausgesprochen. Die Idee ist nicht neu und wird auch auf EU-Niveau diskutiert. Überraschender ist die Meinung von Ex-Swiss-Chef und Lufthansa-Manager Harry Hohmeister dazu: «Wenn Mindestpreise heissen, dass Airlines ihre Kosten decken müssen und nicht Phantasiepreise unterhalb der anfallenden Steuern und Gebühren aufrufen dürfen, ist das legitim», sagte er kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Was Hohmeister jedoch nicht will, sind zusätzliche Steuern auf den Tickets. Genau das droht jedoch in der Schweiz, wenn am 13. Juni über die CO2-Steuervorlage abgestimmt wird. Je nach Distanz und Buchungsklasse könnte bei einem Ja eine Abgabe zwischen 30 und 120 Franken anfallen. (bwe)
Der Sommer kann kommen! Das denken sich nicht nur Fernwehleidende, sondern auch die Airlines. Die Infektionszahlen in der Schweiz sind rückläufig, die Impfkampagne schreitet plötzlich rasch voran, und im Ausland werden Reiserestriktionen gelockert. Die Swiss verzeichnet für die kommenden Monate denn auch kurzfristig steigende Buchungszahlen. Im Juni und Juli wird sie deshalb ab Zürich und Genf 49 Destinationen neu oder wieder aufnehmen. Insgesamt fliegt die Lufthansa-Tochter im Hochsommer 125 Ziele an, wie Alicante, Brindisi oder Mykonos. Lufthansa-Manager Harry Hohmeister sagte kürzlich, für Flüge im Juli und August sei die Nachfrage gar zehn- bis elfmal so hoch wie noch vor vier Wochen.
Eitel Sonnenschein also? Falsch. Denn der kurzfristige Buchungsboom droht die über Monate hinweg heruntergefahrene Infrastruktur zu überlasten – insbesondere, weil der Reiseprozess wegen Corona-Massnahmen komplizierter geworden ist. Der europäische Flughafen-Verband ACI Europe, dem auch die Schweizer Landesflughäfen Zürich, Basel und Genf angehören, warnt nun vor einem Chaos und langen Warteschlangen just zur Ferienzeit. «Das Risiko für Reisende besteht, dass sie im Sommer Stunden an Europas Flughäfen verbringen müssen wegen der Covid-19-Checks.»
Eingeschränkte Platzverhältnisse
Der Verband erwartet, dass sich das Passagiervolumen im August im Vergleich zum Mai beinahe verdreifachen wird. «Obwohl das noch immer unter dem Vor-Pandemie-Verkehrsniveau ist, wird dies eine bisher ungesehene Herausforderung, so einen Anstieg zu bewältigen», schreibt ACI Europe und nennt mehrere Gründe dafür. So führe das «Social Distancing» zu eingeschränkten Platzverhältnissen, was vor allem zu Spitzenzeiten ein Problem sein wird. Und solche Hochfrequenz-Tage seien dieses Jahr noch stärker zu erwarten.

Bei den Impfausweisen herrscht international ein Potpourri an Lösungen.
Kommt hinzu: «Passagiere müssen nun durch zusätzliche Checks an den Flughäfen, um ihr Covid-19-Test-Zertifikat oder ihre Quarantäne-Dokumente verifizieren zu lassen.» Diese Kontrollen würden durch offizielle Behörden, Airlines oder durch Angestellte von Bodenabfertigungsfirmen durchgeführt – je nach Destination wird dieser Prozess unterschiedlich gehandhabt. «Die Regeln dafür sind uneinheitlich und instabil in ganz Europa», schreibt ACI. Zudem würden sie oft mehrfach durchgeführt, vor dem Start und nach der Ankunft, was zu Ineffizienz und einer Verlangsamung des Reiseprozesses führe.
Ausserdem besteht bei den digitalen Impfpässen noch immer ein Chaos. So hat die EU eine solche Lösung im Köcher, genau so wie der Airline-Branchenverband IATA mit Sitz in Genf. Die Schweiz entwickelt derzeit ebenfalls ein digitales Impfzertifikat, das mit jenem der EU kompatibel sein soll. Doch wie all die verschiedenen Lösungen im internationalen Reiseverkehr zusammenfinden, ist noch immer unklar.
Mindestens zwei Stunden vor Abflug erscheinen
Verbandschef Olivier Jankovec spricht von einer unglaublichen Unsicherheit und Komplexität bei der Planung. «Mit jedem Tag wird die Prognose eines Chaos an Flughäfen im Sommer realer.» Er fordert die europäischen Regierungen auf, diese Probleme frühzeitig zu lösen und stärker mit den Flughäfen und Airlines zusammenzuarbeiten. Die Social-Distancing-Regeln sollen überdacht werden, da mehr und mehr Passagiere geimpft seien, Covid-Kontrollen sollen nicht mehr als einmal pro Reise stattfinden und der Impfpass der EU sollte spätestens Anfang Juli zur Anwendung kommen.
Bettina Kunz, Sprecherin des Flughafens Zürich, bestätigt, dass es wegen der ausgeweiteten Dokumentenkontrolle zu längeren Wartezeiten am Check-in oder bei der Sicherheitskontrolle kommen kann. Am Euroairport in Basel und am Flughafen Genf tönt es auf Anfrage gleich. Man empfehle deshalb den Passagieren, frühzeitig zu erscheinen und sich vor der Reise über die Einreiseregeln des Ziellands zu informieren, sagt Kunz. Denn es komme zum Beispiel immer wieder vor, dass jemand einen Antigen-Schnelltest statt einen PCR-Test gemacht habe. Ein Sprecher des Flughafens Genf empfiehlt ein Erscheinen mindestens zwei Stunden vor Abflug und das Bereithalten aller nötigen Dokumente.
«Passenger Flow Manager» kommen zum Einsatz
Kunz spricht von einer Herausforderung, weil einerseits für die Spitzenzeiten mehr Aufwand nötig sei, alle Flughafenpartner aber wegen der finanziellen Lage haushälterisch planen müssten. Das kurzfristige Buchungsverhalten der Kunden hilft dabei nicht. Immerhin: Von den Airlines höre man, dass viele Leute erstmals wieder etwas weiter im Voraus buchen, mehrere Wochen statt bloss wenige Tage vor Abflug. Dies bestätigt auch der Flughafen Genf.
An Stosszeiten werden in Zürich diesen Sommer so genannte «Passenger Flow Manager» eingesetzt, Angestellte also, die den Passagierstrom besser lenken und das Einhalten der Schutzmassnahmen überwachen sollen. Der Euroairport ist laut einer Sprecherin gar laufend daran, zusätzliches Personal anzustellen, um die Passagierführung zu optimieren.
Skymetro mit weniger Passagieren

Die Kapazität der Skymetro wird am Flughafen Zürich beschränkt, um für mehr Abstand zwischen den Passagieren zu sorgen.
Helfen soll in Zürich auch die Wiederinbetriebnahme des Dock E, das in den vergangenen Monaten geschlossen war. Im Juni werde es an mindestens zwei Wochenenden geöffnet sein, sagt Kunz. Die so genannte «Skymetro» zum Dock E fährt jedoch mit reduzierter Passagierzahl, um auch hier genügend Abstand zu garantieren. Auch Durchsagen, Plakate und Bodenkleber weisen auf das Social Distancing und die Maskenpflicht hin.
Die Sprecherin des Euroairports in Basel betont, dass sich alle Passagiere bewusst sein müssen, dass es jederzeit zu Anpassungen der Reisebestimmungen und der Flugpläne kommen kann und somit längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen sind. Zwar würde man so gut wie möglich im Voraus informieren. «Dennoch wird es wohl zu Frustrationen kommen.»
Immerhin: Nach Überstehen dieses beschwerlichen Prozesses dürfte die Freude an Bord auf Strand und Sonne noch etwas grösser sein.